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Stop Antisemitismus Erkennen Sie Antisemitismus im Alltag? Und wissen Sie, wie Sie reagieren könnten?

Hier finden Sie 35 Zitate aus dem deutschen Alltag – einige sind offen antisemitisch, andere versteckt. Hinter jeder Aussage finden Sie erklärt, was daran problematisch ist. Wie Sie in dem Moment reagieren könnten. Und wer Sie dabei unterstützt.

Zitat 1 von 35

Schüler zu anderem Schüler, beide keine Juden, auf einem deutschen Schulhof, gehört von der Lehrerin

„Komm her, du Jude!”

Das Wort „Jude“ ist kein Schimpfwort. Seit Jahrhunderten aber wird wieder und wieder versucht, Juden*Jüdinnen abzuwerten, indem das Wort Jude als Beleidigung genutzt wird. Auch hier nutzt es der Sprecher, um andere zu entwerten. Er geht davon aus, dass sein Gegenüber die Bezeichnung als beleidigend empfindet und drückt so seine eigene Verachtung für Jüdinnen*Juden aus. Er scheint jüdische Menschen als einheitliche Gruppe zu betrachten, in der alle gleich sind, gleich handeln, und gleich verachtenswert sind. So wird das Wort Jude zum Stigma und zum Schimpfwort. Er grenzt jüdische Menschen aus und gibt ihnen das Gefühl, ihre jüdische Identität nicht offen und unbeschwert leben zu können.

Wichtig: Der Ausspruch richtet sich gegen jüdische und nicht-jüdische Menschen, er hat das Ziel zu verletzen. „Jude“ als Schimpfwort richtet Schaden an – selbst wenn dem Sprecher die Tragweite nicht bewusst ist. Und auch wenn keine Juden im Raum sind!

Auch unbeabsichtigte und unbewusste Sprüche sorgen dafür, dass Antisemitismus weiter verbreitet wird. Gedankenlose Aussprüche dieser Form prägen das Bewusstsein von Gesellschaften, in dem sie das Wort „Jude“ mit Negativem verknüpfen und diese Verknüpfung im Umlauf halten.

Dieses Zitat stammt aus dem Forschungsbericht „Mach mal keine Judenaktion!“ der Frankfurt University of Applied Sciences:

Wenn Sie als Lehrkraft oder als Zeug*in im Alltag so einen Spruch mitbekommen, zeigen Sie unmittelbar eine Reaktion. Reagieren Sie, drücken Sie aus, dass hier eine Grenze überschritten wurde. Wenn Sie das Gesagte ignorieren, werden die Sprecher*innen und Zuhörer*innen diesen Spruch möglicherweise ohne Zögern weiter benutzen und verbreiten.
Zeigen Sie gleichzeitig dem beschimpften Menschen (auch nicht-jüdischen Kindern), dass Sie ihnen beistehen, sie schützen, in dem Sie Solidarität zeigen: „Du hast vielleicht den Schüler*in X angesprochen, aber das geht auch mich etwas an.“

Zeigen Sie, dass so ein Spruch gegen Ihre Wertvorstellungen geht: „Ich dulde keine antisemitischen Schimpfwörter.” „Ich möchte nicht, dass Menschen antisemitisch beschimpft werden.” Eine bestimmte Gruppe so herabzusetzen, ist nicht akzeptabel in unserer demokratischen Gesellschaft, in der gilt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So steht es im Grundgesetz. Es ist wichtig, dass auch Unbeteiligte für unsere demokratischen Werte eintreten und nicht wegschauen oder weghören.

Oft hilft es, Sprecher*innen solcher Aussagen zum Nachdenken zu bringen: „Wie findest du es, wenn ‘Du Deutscher/Christ/Moslem’ als Schimpfwort verwendet wird?” Eine weitere mögliche Reaktion, um zum Nachdenken zu bringen, wäre: „Danke für das Kompliment.“ Das Wort „Jude“ positiv zu sehen, ist den Sprecher*innen vielleicht bisher nicht in den Sinn gekommen. Diese Antwort sorgt für Irritation, die einen Denkprozess anregt. So ist vielleicht ein Gespräch möglich.

Überhaupt lohnt es sich, mit Fragen zu reagieren: „Warum nutzt du dieses Wort als Schimpfwort? Warum ist das für dich eins?“ Das wichtigste ist, überhaupt eine Reaktion zu zeigen.

Eine Dresdner Schülerin hat 2017 ein klares und mutiges Zeichen gesetzt: Nachdem in ihrer Klasse Holocaustwitze erzählt, Jude als Schimpfwort genutzt und der Hitlergruß gezeigt wurde, zeigte sie einen Mitschüler wegen Volksverhetzung an:

Für Lehrkräfte gilt: Sie müssen mit solchen Reaktionen und Interventionen nicht allein umgehen. Folgende Initiativen und Institutionen bieten als ersten Schritt eine telefonische Beratung an:

Mehr Beratungsangebote finden Sie auch hier:

Für Schulklassen eignen sich beispielsweise diese Workshopangebote:

Zum Umgang mit Antisemitismus in der Schule lohnt es sich, in diesen Publikationen weiterzulesen:

Hier finden Sie die Erkenntnisse einer Studie zu Antisemitismus an der Schule mit Handlungsempfehlungen für Lehrer:

Unter Hilfe & Infos finden Sie weitere Anlaufstellen für Workshops und Fortbildungen.

Zitat 2 von 35

Bemerkung eines Filmproduzenten in Hamburg

„Besonders schlimm finde ich, dass offenbar die Juden, die ja Opfer der Nazis waren und selbst das Schlimmste erfahren mussten, jetzt genauso gegen die Palästinenser vorgehen wie man damals gegen die Juden vorging.“

Der Sprecher dämonisiert Jüdinnen*Juden, behauptet implizit, sie wären Massenmörder*innen, würden also Palästinenser*innen systematisch vernichten wollen. Durch den Vergleich des Holocausts – einem systematisch geplanten Massenmord – mit dem Handeln von Jüdinnen*Juden gegenüber den Palästinenser*innen, leugnet er zudem die Einzigartigkeit der Shoah, vertauscht mit dieser Aussage Opfer mit Täter*innen, und entmenschlicht Jüdinnen*Juden und Israelis. Das ist antisemitisch.

Jüdinnen*Juden und Israelis gleichzusetzen und ein vermeintliches Kollektiv für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich zu machen, ist ein typisches antisemitisches Stereotyp.

Mehr dazu erfahren Sie hier:

Die Antonio Amadeu Stiftung hat der Aussage „Die Zionisten sind die Nazis von heute“ innerhalb ihres Projekts „Nichts gegen Juden“ eine eigene Seite gewidmet, die erklärt, was an einer solchen Aussage problematisch ist.

Sie sind nicht sicher, wann es sich um Kritik an Israel oder um Antisemitismus handelt? Hier eine Orientierung:

Kritik an Israel ist antisemitisch,…

  • wenn Israels Existenzrecht und/oder das Recht zur Selbstverteidigung in Frage gestellt wird.
  • wenn Israel mit anderen Maßstäben gemessen wird als andere Länder.
  • wenn mit antisemitischen Redewendungen, Symbolen oder Bildern über Israel gesprochen wird – zum Beispiel, wenn Israelis als das „Übel der Welt“ verteufelt und dämonisiert werden.
  • wenn die israelische Politik oder Israelis mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt werden.
  • wenn Jüdinnen*Juden weltweit für die Politik Israels verantwortlich gemacht werden.

(siehe dazu Seite 204 in „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert” (De Gruyter))

In einem solchen Fall kann man versuchen, Sprecher*innen die unmögliche Vergleichbarkeit dieser beiden Szenarien vor Augen zu führen.

Fragen Sie nach: „Was hat der Massenmord an den Juden mit dem ‚Nahostkonflikt‘ zu tun?“

„Was genau meinen Sie, wenn Sie sagen, dass Jüdinnen*Juden ‚jetzt genauso gegen die Palästinenser*innen vorgehen, wie man damals gegen die jüdische Bevölkerung vorging‘?“

Machen Sie Sprecher*innen bewusst, dass sie die militärischen Aktivitäten Israels verzerren und verfälschen, und mit ihren Worten pauschal mörderische Absichten überstülpen.

Hinterfragen Sie: „Von welchen konkreten Taten sprechen wir?“

Stellen Sie dann unmissverständlich klar: „Ein Massenmord mit dem Ziel, die gesamte jüdische Weltbevölkerung zu vernichten, ist mit der Situation in Israel und in den palästinensischen Gebieten) nicht vergleichbar.”

Fühlen Sie nach: „Warum ist es Ihnen wichtig, diesen Vergleich zu ziehen?“

Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Es ist wichtig, zu verstehen, was die Problematik solcher Sätze ist. Nur so kann man dafür sensibilisiert werden (und andere dafür sensibilisieren), ähnliche Vergleiche zu unterlassen. Eine Einführung dazu, was man unter israelbezogenen Antisemitismus versteht, finden Sie hier:

und etwas ausführlicher hier:

Weitere Anlaufstellen und Publikationen zum Thema Nahostkonflikt und israelbezogenen Antisemitismus finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 3 von 35

Unbekannter Mann zu dem Besitzer eines israelischen Restaurants in Berlin-Schöneberg

„Ich muss einfach so reagieren. Ich habe nichts gegen einen Menschen. Aber ihr seid verrückt. […] Aber es geht nur um Geld bei euch, bei euch geht’s nur um Geld, Geld, Geld. […] Ganz einfach. Weil ihr 70 Jahre Krieg gegen Palästinenser führt. […] Ihr führt einen Krieg und wollt hier euch installieren. … In Berlin! … Ihr seid gemein. Ihr seid einfach nur gemein. Ihr seid einfach nur verrückt. Zweitausend Jahre wollt ihr das nicht kapieren, dass die einen so sind und die anderen so sind. […] Aber du kriegst deine Rechnung, du kriegst deine Rechnung. Du kriegst deine Rechnung, in fünf Jahren oder zehn Jahren kriegst du deine Rechnung, deine ganze Familie, deine ganze Sippe hier. […] Niemand schützt euch. Niemand schützt euch. Ihr werdet alle in der Gaskammer landen. Alle wieder zurück in eure blöde Gaskammer. Keiner will euch, keiner will euch hier, keiner will euch hier, mit euren kleinen jüdischen Restaurants.“ Text gekürzt aus Originalvideo: BZ Berlin

Der Sprecher steht vor einem israelischen Restaurant in Berlin, in seinen Aussprüchen bedient er sich eines breiten Repertoires an antisemitischen Vorurteilen, Verschwörungstheorien bis hin zu Morddrohungen.

Er beginnt scheinbar harmlos mit den Worten: „Ich muss einfach so reagieren. Ich habe nichts gegen einen Menschen“, fängt im nächsten Satz an, den Restaurantbesitzer zu beleidigen: „Aber ihr seid verrückt….“
Dann schwenkt er zu Vorurteilen („Aber es geht nur um Geld bei euch, bei euch geht’s nur um Geld, Geld, Geld“) zur Verdrehung des Nahostkonflikts („Weil ihr 70 Jahre Krieg gegen Palästinenser führt“) bis zu offen Drohungen („Aber du kriegst deine Rechnung, du kriegst deine Rechnung. Du kriegst deine Rechnung, in fünf Jahren oder zehn Jahren kriegst du deine Rechnung, deine ganze Familie, deine ganze Sippe hier.“).

Am Ende seiner Tirade, nur wenige Minuten nachdem er angefangen hat zu sprechen, droht er dem Besitzer des Restaurants mit dem Tod in der Gaskammer: „Niemand schützt euch. Niemand schützt euch. Ihr werdet alle in der Gaskammer landen.“

Wenn Sie Zeug*in eines solchen Übergriffs werden: Versuchen Sie ruhig zu bleiben. In diesem Fall ist es wichtig, sich nicht auf die Argumente der Sprecher*innen einzulassen. Der Besitzer des israelischen Restaurants versucht es, mit Rückfragen, mit Nachfragen, immer und immer wieder, doch der Sprecher hier reagiert nur mit noch schlimmeren Beschimpfungen.

Suchen Sie sich Verbündete: Sprechen Sie andere Zeug*innen oder Passant*innen an und bitten Sie darum, dass diese Menschen Sie dabei unterstützen, die Sprecher*innen gemeinsam in ihre Schranken zu weisen. Teilen Sie den Sprecher*innen gemeinsam und ruhig, aber unmissverständlich mit, dass seine Botschaften hier nicht erwünscht sind, bitten Sie sie zu gehen.

Zeigen Sie sich solidarisch mit Betroffenen solcher Attacken und Angriffe, zeigen Sie, dass Sie diesen Menschen beistehen und ihnen helfen wollen.

Bringen Sie sich nicht in Gefahr! Rufen Sie die Polizei, sobald es sich für Sie bedrohlich anfühlt. Erstatten Sie Anzeige.

Schauen Sie nicht weg, auch wenn es unangenehm ist. In so einem Fall gibt es keine Unbeteiligten.

Betroffene von antisemitischer Gewalt (sei es in Worten oder Taten) können sich hier telefonische Beratung und Hilfe holen:

  • OFEK e.V. Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung

Weitere Beratungsangebote in ganz Deutschland finden Sie unter „Anlaufstellen“ auf Hilfe & Infos.

Antisemitische Vorfälle können Sie zum Beispiel hier melden:

  • RIAS Recherche und Informationsstelle Antisemitismus
Zitat 4 von 35

Älterer Herr in Hamburg zu einer Jüdin, nachdem diese ihren jüdischen Namen erklärt hat

„Sie sehen gar nicht jüdisch aus.“

„Was meinen Sie?“

„Naja, die Nase ist nicht so… (formt mit der Hand eine krumme Nase) und Ihre Haare sind auch anders als man sich das so vorstellt.“

Der Sprecher ist der Meinung, dass es ein spezielles jüdisches Aussehen gibt, sozusagen eine gemeinsame genetische Eigenschaft. Er unterscheidet damit „mein Körper“ und „jüdischer Körper“. Diese Aussage unterstellt Jüdinnen*Juden eine äußerlich sichtbare Einheit und körperliche Gemeinsamkeit.

Man spricht von Rassismus, wenn – meist abwertend – angenommen wird, dass die äußere Erscheinung eines Menschen ihn gleichzeitig charakterlich, moralisch oder sonst wie „andersartig“ macht.

Rassismus ist die Theorie, nach der Menschen oder Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen in Bezug auf ihre kulturelle Leistungsfähigkeit anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen. (siehe Duden.de)

Diese Vorstellungen von bestimmten körperlichen Merkmalen (große Nase, lockige dunkle Haare, große Lippen, etc.) finden sich seit Jahrhunderten in Darstellungen von Jüdinnen*Juden – in Karikaturen, in der Literatur, Malerei, Architektur und im Sprachgebrauch. Sie dienen dazu, Jüdinnen*Juden abzuwerten, als niedere Wesen darzustellen, sie mit negativen Attributen zu verknüpfen, zu verteufeln und auszugrenzen. Im Nationalsozialismus haben diese rassistischen Vorstellungen zur Ermordung von Millionen von Jüdinnen*Juden geführt.
Solche Verallgemeinerungen sind grundsätzlich problematisch, selbst wenn die Sprecher*innen sich der Wirkung ihrer Worte nicht bewusst sind.

Mehr dazu finden Sie hier:

Beispiele dafür, wie solche Stereotype geäußert werden, finden Sie hier:

Es ist in jedem Fall wichtig, Sprecher*innen auf diese rassistischen Vorstellungen hinzuweisen, die sich an ihre Worte knüpfen.

Fragen Sie nach: „Woher wissen Sie, dass Jüdinnen*Juden eine krumme Nase haben?“

„Wie sieht Ihrer Meinung nach eine Jüdin oder ein Jude aus?“

„Woher haben Sie diese Vorstellung?“

Es kann helfen, den Sprecher auf die gemeinsamen Merkmale von Rassismus hinzuweisen: Rassismus hat meist das Ziel, andere Menschen abzuwerten und die eigene Gruppe damit aufzuwerten. Es ist wichtig, dem Sprecher Schritt für Schritt zu erklären, was seine Aussage problematisch macht, denn viele mit solche Vorstellungen glauben, sie hätten nur unschuldig etwas Offenkundiges gesagt.

Mehr dazu finden Sie hier:

Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

In Fällen von (auch unbewussten) antisemitischen Klischees und Stereotypen hilft vor allem Aufklärung. Nur wer versteht, was daran problematisch ist und dafür sensibilisiert ist, wird diese Stereotype hinterfragen und sie bestenfalls nicht mehr benutzen. Für das bessere Verständnis finden Sie hier Beispiele für das „Fremdmachen” von Juden*Jüdinnen und die Gleichsetzung von Juden*Jüdinnen und Israelis:

Workshops gegen Vorurteile und antisemitische Stereotype für Jugendliche und Erwachsene bieten zum Beispiel diese Initiativen:

Mehr Anlaufstellen in Ihrem Bundesland finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 5 von 35

Schülerin, 8. Klasse, an einer Hauptschule in Duisburg

„Wenn Israel Kinder umbringt, dann schweigt die ganze Welt. Aber wehe ein Palästinenser wirft einen Stein, dann berichtet die ganze Welt darüber.“

Das Bild Israels als „Kindermörder“ basiert auf einem jahrhundertealten antisemitischen Stereotyp. Die Floskel „kindermörderische Juden” lässt sich bereits in Texten des Mittelalters finden. Nach dieser antisemitischen Deutung der Welt sind Jüdinnen*Juden grundsätzlich schlecht, ausgedrückt wird dies, in dem seit Jahrhunderten alle Übel der Welt den Jüdinnen*Juden angedichtet wurden (und werden): Kindermorde, Krankheiten, Seuchen, Finanzkrisen… die Liste lässt sich fortführen. Diese Legenden sind bis heute zu hören. Meist dient der Vorwurf dazu, die Feindschaft gegenüber Jüdinnen*Juden zu rechtfertigen und ihnen indirekt die Schuld dafür zu geben, dass sie Hass auf sich ziehen. Mehr dazu können Sie hier nachlesen:

und vertiefend hier:

Der Sprecher in diesem Zitat verteufelt mit diesem Vorwurf Israel, stellt Israelis generell als Mörder*innen von Kindern dar. Gleichzeitig behauptet er: Die Welt, also alle Länder der Welt, einschließlich aller muslimisch geprägten Länder, würden schweigen, wenn Israel Kinder umbringt. Das ist kompletter Unfug. Die deutschen Medien kritisieren kaum ein Land so oft wie Israel, das zeigen Studien, zum Beispiel diese:

Zusammengefasst finden Sie die Studie hier:

Wer sich selbst davon überzeugen will, kann testweise nach „Israel“ und „Palästina“ bei Spiegel Online oder in Google News suchen und sich die Treffer anzusehen. Auch die Berichterstattung in einigen arabischen und türkischen Medien spart nicht an Kritik an Israel. Dies zeigt, dass es ein Irrglaube ist, Kritik an Israel sei ein Tabu der Medien.
Der Sprecher hier zeigt mit seinen Worten seine Empörung über eine von ihm empfundene Ungerechtigkeit in der Berichterstattung über den ‚Nahostkonflikt‘ und dessen Bewertung. Er geht von einer Verschwörung gegen die Palästinenser*innen aus, meint wahrzunehmen, dass Palästinenser*innen weltweit an den Pranger gestellt würden, wenn sie etwas vermeintlich “Harmloses” begehen, nämlich einen Stein zu werfen – was in keiner Weise harmlos ist, zumal es bei diesem Konflikt selten bei Steinwürfen bleibt.

Fragen Sie nach, regen Sie zum Nachdenken an: „Woher hast Du das?“

„Warum hast Du den Eindruck, dass es dieses Ungleichgewicht in der Berichterstattung gibt?“

„Warum berührt es Dich, was über Palästinenser*innen, die Steine werfen, berichtet wird?“

„Was hat das mit Dir zu tun?“

Es ist in solchen Situationen wichtig, die Motivation der Sprecher*innen für solche Aussagen zu hinterfragen: Warum identifiziert er*sie sich mit Palästinenser*innen und dämonisiert Israelis? Empfindet er*sie etwas an der eigenen Situation als ungerecht? Fühlt er*sie sich ohnmächtig, was seine*ihre Rolle in der Welt angeht? Oder wird lediglich wiederholt, was von anderen gehört wurde?

Grundsätzlich sollte man klar machen: Einen Stein zu werfen, kann töten. Ob in Deutschland oder in Israel: Wer Steine wirft, macht sich aufgrund einer fahrlässigen Körperverletzung strafbar.

Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Solche gewaltvollen Aussagen bedürfen der Intervention, sie treffen womöglich jüdische Schüler*innen und andere, die sich davon belastet fühlen. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Beratung finden Betroffene und Lehrkräfte hier:

Wie sich Antisemitismus (auch mit Bezug zum Nahostkonflikt) in der Schule zeigt, was Lehrkräfte tun und lassen sollten, lesen Sie hier:

Lehrkräfte, Pädagog*innen und Multiplikator*innen sollten sich unbedingt Unterstützung suchen, wenn das Thema ‚Nahostkonflikt‘ sie überfordert. Initiativen in ganz Deutschland bieten Workshops für Schulen an, die die unterschiedlichen Perspektiven des Konflikts herausarbeiten und sich auch mit der Biografie der Schüler*innen auseinandersetzen könnten. Laden Sie externe Expert*innen ein, suchen Sie sich Hilfe. Ignorieren Sie das Thema nicht, bloß weil es unübersichtlich und kompliziert ist.

Workshops zu den Themen ‚Nahostkonflikt‘ und Antisemitismus finden Sie zum Beispiel hier:

Hier finden Lehrkräfte Unterrichtsmethoden zum ‚Nahostkonflikt‘, zum Beispiel spielerische Quizze, die die unterschiedlichen Sichtweisen auf den Konflikt deutlich machen:

Weitere Anlaufstellen finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 6 von 35

Polizistin in einer Fortbildung zum Thema Antisemitismus, Rhein-Main-Gebiet

„Also ich habe heute keine Lust über den Holocaust zu reden. Damit will ich nichts zu tun haben.“

Es gibt kaum Menschen, die Spaß daran haben, über den Holocaust zu reden. Das Thema ist schwer, es macht sicherlich keine „Lust“. Die Polizistin befindet sich in einer Fortbildung zum Thema Antisemitismus, was will sie mit diesem Satz erreichen?

Sie drückt aus, dass sie das Thema loswerden, es hinter sich lassen will. Die anderen Teilnehmer sollen zudem ihren Unmut mitbekommen. Es ist menschlich nachvollziehbar, Schreckliches zu verdrängen. Als Staatsbeamtin ist es jedoch ihre Pflicht, sich mit mit dem Schrecken der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Nur wer sich der Vergangenheit bewusst ist, kann verhindern, dass etwas wie die Shoah wieder passiert. Es ist deshalb unmöglich, „nichts mit dem Holocaust zu tun haben“ zu wollen, wenn man in Deutschland lebt und dort als Polizist im öffentlichen Dienst arbeitet. Als Staatsbeamtin hat sie auch die Aufgabe, das Grundgesetz zu wahren – und damit die Menschen in Deutschland vor Antisemitismus und vor Diskriminierung zu schützen.

Manchmal haben solche Abwehrreaktionen ihre Ursache in der eigenen (unerforschten) Familiengeschichte. Das Thema Holocaust ist dann mit Scham besetzt, oder auch einer unangenehmen Unsicherheit, und wird deswegen verdrängt, gar bewusst abgelehnt. Der Wunsch nach einem „Schlussstrich“ unter die Vergangenheit ist auch oft verbunden mit der Sehnsucht nach einem unbelasteten Deutschsein. Das Bedürfnis ist nachvollziehbar, die ablehnende Haltung jedoch nicht.

Es wäre gut, wenn die Umstehenden klar machen, dass das Thema nicht einfach ist, aber kein Weg daran vorbeiführt. Polizist*innen wie alle anderen nach 1945 geborenen Deutschen tragen nicht die Schuld an dem Holocaust, sie tragen aber die Verantwortung, dass dies nicht mehr geschieht. Insofern geht der Holocaust uns alle etwas an. Polizist*innen haben zudem eine Eid geschworen, die Menschen in Deutschland und das Grundgesetz zu schützen. Sie sind Repräsentanten des Staates. Für sie gilt das in ganz besonderem Maße.

Versuchen Sie, ein Gespräch anzuregen: „Was belastet Sie daran genau?“

„Welche Rolle nehmen Sie als Polizistin für dieses Land in diesem Kontext ein?”

Die Reaktion darauf kann gemeinsam beleuchtet werden. Nur so kann deutlich gemacht werden, warum man das Unangenehme in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust in der Rolle als Polizist*in überwinden muss und es unbedingt notwendig ist, sich dennoch oder gerade deshalb damit auseinander zu setzen.

„Wie würden Sie denn das Thema Antisemitismus besprechen wollen, ohne den Holocaust zu thematisieren?”

Es geht nicht darum, die Sprecherin bloßzustellen – diese Nachfragen sind auch für die Umstehenden wichtig, sie können sich ihre eigenen Gedanken dazu machen. Im besten Fall entsteht ein Austausch darüber, welche Gefühle der Holocaust und die Erinnerung an ihn bei jedem Einzelnen auslöst, vor allem, wenn diese Gefühle als unangenehm empfunden werden, und was womöglich hinter dieser Abwehr steckt.

Für Beteiligte und Unbeteiligte gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Diese Webseiten beschäftigen sich mit dem Holocaust, in Text, Video und Bildern, und ermöglichen Ihnen nochmal einen anderen Zugang zu dem Thema:

Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, welche Emotionen bei einem Satz wie „Ich habe keine Lust auf den Holocaust” mitspielen, lesen Sie hier weiter:

Mehr Anlaufstellen und Workshops sowie die Adressen von Jüdischen Museen in ganz Deutschland finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 7 von 35

Spieler während eines Fußballspiels in Berlin gegen den jüdischen Verein Maccabi, nachdem der Schiedsrichter gegen seine Mannschaft gepfiffen hatte

„Was für eine Judenaktion!“

Das Wort „Jude“ ist ursprünglich kein Schimpfwort. Es wird als Schimpfwort benutzt, in diesem Fall für eine vom Sprecher als unfair empfundene Schiedsrichterentscheidung im Fußball. Das Wort dient in diesem Fall dazu, den Schiedsrichter, andere Spieler oder die als unrecht empfundene Situationen abzuwerten.

Wichtig: Der Ausspruch richtet sich gegen jüdische und nicht-jüdische Menschen, er hat das Ziel zu verletzen. Auch wenn dem Sprecher die Tragweite nicht bewusst ist: „Jude“ als Schimpfwort richtet Schaden an. Selbst wenn keine Jüdinnen*Juden im Raum sind!

Auch unbeabsichtigte und unbewusste Sprüche sorgen dafür, dass Antisemitismus weiter verbreitet wird, gedankenlose Aussprüche dieser Form prägen das Bewusstsein von Gesellschaften, in dem sie das Wort „Jude“ mit Negativem verknüpfen und diese Verknüpfung im Umlauf halten.

Mehr Informationen zum Antisemitismus im Fußball finden Sie hier:

Die Sprecher*innen eines solchen Satzes – ganz egal, ob Spieler*innen, Spieler*innen auf der Bank oder ausgewechselte Spieler*innen – müsste direkt Rot sehen. Dies besagen auch die Regeln des Deutschen Fußball-Bunds (DFB): Spieler, Auswechselspieler oder ausgewechselte Spieler, die anstößige, beleidigende oder schmähende Äußerungen und/oder Gesten machen, werden des Feldes verwiesen.

In der Pause oder im Anschluss an das Spiel sollte ein*e Vertreter*in des Vereins ein Gespräch mit allen Spieler*innen führen und darauf hingewiesen, dass solche Sprüche nicht akzeptabel sind und auch erklären, warum.
Auch langfristig sollten solche abwertenden Sprüche Konsequenzen haben: Die Spieler*innen könnten zu Workshops/Ausstellungen/Filmvorführungen gebeten werden, die sie für antisemitische Sprache sensibilisieren.
Auch außerhalb des Spielfelds gilt: Ignorieren Sie so einen Spruch nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung. Aber bringen Sie sich nicht in Gefahr.

Trainer*innen, Eltern und auch Spieler*innen müssen mit solchen Reaktionen und Interventionen nicht allein umgehen. Initiativen in ganz Deutschland helfen, zu intervenieren und auf Antisemitismus auf dem Spielfeld oder im Klassenzimmer zu reagieren.

Die Bildungsstätte Anne Frank hilft Vereinen in Hessen, mit Antisemitismus und Rassismus auf dem Spielfeld umzugehen:

Weitere Hilfestellungen und Beratungsangebote finden Sie hier:

Mehr Anlaufstellen in Ihrem Bundesland finden Sie unter Hilfe & Infos.

Welchen Schaden „Jude als Schimpfwort” auf unter Jugendlichen anrichten kann und was Lehrkräfte und Pädagog*innen dagegen tun können, können Sie hier nachlesen:

Zitat 8 von 35

Ein Gleichaltriger zu einer jüdischen Studentin

„Juden zahlen keine Steuern.”

Diese Aussage ist falsch. Alle, die in Deutschland angemeldet sind und arbeiten, müssen Steuern zahlen, völlig unabhängig von Religion oder Geburtsort.

Es handelt sich hier um ein Gerücht, das sich hartnäckig hält und an das Stereotyp der geld-affinen Jüdinnen*Juden anknüpft. Das Vorurteil macht aus jüdischen Menschen eine „andersartige“ Ausnahme der deutschen Gesellschaft, nicht dazugehörig, mit einem „Sonderstatus“ versehen.

Indirekt könnte diese Aussage sogar unterstellen, dass die heute in Deutschland lebenden Juden*Jüdinnen vom Holocaust profitieren würden. Eine Herkunft dieses Gerüchts könnten die Reparationszahlungen sein, die Deutschland nach dem Holocaust den Angehörigen von verfolgten jüdischen Deutschen gezahlt hat. Allerdings beinhalten diese Zahlungen keine Steuerregelungen und befreiten demnach auch keinen jüdischen Menschen von Steuerzahlungen an den deutschen Staat. Jüdinnen*Juden zahlen Steuern wie jeder andere in Deutschland auch.

Unter Umständen bezieht sich die Person auf gesetzliche Ausnahme-Regelungen, die nur für ultraorthodoxe Juden*Jüden in Israel gelten. Das hat aber nichts mit den Gegebenheiten in Deutschland zu tun und den Rechten und Pflichten für jüdische Menschen, die deutsche Staatsbürger*innen sind.

Dieses Zitat stammt aus dem Forschungsbericht „Mach mal keine Judenaktion!“ der Frankfurt University of Applied Sciences:

Eine mögliche Reaktion wäre folgende Antwort: „Es ist ein antisemitisches Bild, das du mit deinen Worten am Leben hältst. Wenn es wirklich so wäre, würden doch alle Menschen zum Judentum übertreten.“

Und: „Wie kommst du darauf, dass jüdische Menschen in Deutschland keine Steuern zahlen müssen? Kannst du mir die Quelle oder den Gesetzestext nennen, wo dies festgehalten sein soll? In welchem Kontext hast du davon gehört, dass jüdische Menschen keine Steuern zahlen würden?“

Bitten Sie die Person, vermeintliche Fakten gewissenhaft auf ihre Richtigkeit zu prüfen, bevor sie solche Aussagen tätigt, da sie damit Falschinformationen weiterverbreitet und antisemitische Vorurteile schürt.

Workshops zu den Themen Antisemitismus und Vorurteile finden Sie hier:

Es gibt in Deutschland Initiativen, die eine Begegnung mit jüdischen Deutschen ermöglichen, die Fragen beantworten und Vorurteile abbauen wollen:

Mehr dazu lesen Sie hier:

Zitat 9 von 35

Fahrgast an einem heißen Tag in einem überfüllten Bus in einer deutschen Großstadt, gehört von einer jüdischen Frau (kein Fahrgast reagiert)

„Das ist ja hier … bis zur Vergasung!”

Mit „bis zur Vergasung“ ist hier sinnbildlich gemeint „bis zum Überdruss“. Doch: „Vergasung“ war das Wort, das Nationalsozialist*innen benutzt haben, um den Massenmord in den Gaskammern an Juden zu beschreiben. Deshalb ist der Ausdruck in Deutschland ein No-Go und sollte nicht – auch nicht unbedacht – benutzt werden, vor allem nicht in banalen Alltagssituationen wie einem stickigen Bus. Eine solche Verwendung relativiert die Gräuel des Holocaust und verhöhnt das Leid der Opfer. Es berührt auch deren Nachkommen.

Ein Argument, das von Nutzer*innen dieses Ausdrucks gern erwidert wird: Ursprünglich stammt das Wort aus den Naturwissenschaften, im Ersten Weltkrieg beschrieb es Giftgaseinsätze. Heutzutage ist es dieses Wort mit dem nationalsozialistischen Massenmord verknüpft. Lesen Sie hier, was der Duden zu dem Wort schreibt:

Dieses Zitat stammt aus dem Forschungsbericht „Mach mal keine Judenaktion!“ der Frankfurt University of Applied Sciences:

Sie sollten auch als Unbeteiligte*r Sprecher*innen darauf aufmerksam machen, dass dieser Begriff heute nicht mehr benutzt werden sollte. Moralisieren Sie nicht, denn damit bringen Sie Sprecher*innen nur in Verteidigungshaltung. Erklären Sie, warum dieser Ausdruck problematisch ist und bitten Sie, ihn nicht zu verwenden.

Nutzen Sie Ansprachen wie: „Das meinen Sie sicher nicht so, wie Sie das sagen.“

„Ich bitte Sie, diesen Ausdruck nicht zu benutzen, er ist in Deutschland und für mich negativ besetzt.“

Viele Menschen verwenden diesen Begriff und sind sich dessen Wirkung nicht bewusst, oder haben sich keine weiteren Gedanken gemacht, wie dieses Wort wirken kann. Nazi-Vokabular sollte aber nicht am Leben gehalten werden. Deswegen ist es auch wichtig, dass unbeteiligte Menschen in der Nähe Ihr Stoppsignal hören und so die Möglichkeit bekommen, das Gesagte für sich selbst zu reflektieren.

Betroffene und alle, die gegen diese unsäglichen Äußerungen aktiv werden möchten, finden hier handlungsorientierte Unterstützung:

  • OFEK e.V. Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung

Nur, wer versteht, was an gewissen Begriffen problematisch ist, wo sie herkommen und warum sie verletzen oder verhetzen, wird zögern, diese Begriffe weiter zu benutzen. Mehr zur Sprache der NS-Zeit und wie sie heute noch auftaucht, lesen Sie hier:

Mehr zu „belasteten Wörtern”, auch aus anderen Zeiten der Geschichte Deutschlands, lesen Sie hier:

Zitat 10 von 35

Facebook-Nutzer in der Kommentarspalte unter einem Videobeitrag des NDR über die Inhaftierung der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck

„Eine Schande… Eine alte Frau, die die Wahrheit sagt über die 6 Millionen-Lüge, wird mundtot gemacht…”

Hier wird der Holocaust geleugnet. Das ist in Deutschland und vielen anderen Ländern weltweit eine Straftat.

Hier dazu mehr:

Über die Funktion von Verschwörungsfantasien lesen Sie hier mehr:

Erstatten Sie Anzeige.

Melden Sie den Beitrag. Zum Beispiel hier:

  • RIAS Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus

Eine Diskussion mit den Verfasser*innen wird vermutlich nichts bringen: Menschen, die nach all dem, was man heute über den Holocaust weiß, leugnen, dass er so geschehen ist, lassen sich vermutlich nicht von Fakten überzeugen.

Hier finden Sie Hilfe und Strategien beim Argumentieren und Reagieren, wenn Sie sich Hass im Internet entgegenstellen wollen:

Bei RIAS melden Sie solche Vorfälle:

Zitat 11 von 35

Aus einem Gespräch über den Holocaust mit mehreren Gästen einer Abendgesellschaft in einem angesehenen Club in Hamburg

„Wir können doch nicht nach vorne schauen, wenn wir immer wieder nur über die Vergangenheit reden müssen – das muss doch irgendwie mal zur Ruhe kommen.”

Der Aussage ging ein Gespräch über den Holocaust voraus. Den Worten des Sprechers nach ist der Holocaust und das Erinnern daran lästig, er empfindet es als ein leidiges, omnipräsentes Gesprächsthema, das Unruhe schafft und endlich abgeschlossen werden sollte. Der Sprecher wehrt damit nicht nur die Erinnerung an dieses Ereignis von unfassbarem Ausmaß ab. Er drückt auch aus, dass „wir“, also „die Deutschen“ nicht nach vorne schauen könnten, weil wir ständig an den Holocaust erinnert würden. Den Schatten des Holocaust abschütteln zu wollen, ist eine typische Reaktion: Dahinter steckt möglicherweise der Wunsch nach einem „Schlussstrich“, die Sehnsucht nach einer unbelasteten deutschen Identität, nach einem unbefangenen Deutsch-Sein.

Der Sprecher blendet damit vollkommen aus, dass der Holocaust zu erschreckend und einzigartig ist, um einfach „zur Ruhe“ zu kommen. Die Erfahrung des Holocaust prägt unsere deutsche Gesellschaft, unsere Politik, unsere Zukunft. Denn: Nur, wer sich der Vergangenheit bewusst ist, kann verhindern, dass etwas wie der Holocaust wieder passiert. Das ist unsere historische Verantwortung. Man darf stolz auf die deutsche Demokratie sein – das schließt nicht aus, sich als Deutsche*r dafür einzusetzen, das Menschen nie wieder im Namen Deutschlands geächtet und ermordet werden.

Die Amadeu Antonio Stiftung hat einer ähnlichen Aussage („Es muss auch mal Schluss sein“) eine eigene Seite innerhalb ihres Projekts „Nichts gegen Juden“ gewidmet, die erklärt, warum die Aussage problematisch ist.

Fragen Sie nach, versuchen Sie, ein Gespräch anzuregen: „Was meinen Sie mit ‚zur Ruhe kommen‘? Wo empfinden Sie Unruhe? Und wessen Ruhe meinen Sie?”

„Kann ein Ereignis wie die Shoah jemals ‚zur Ruhe‘ kommen? Wie könnte das überhaupt gelingen?“

Machen Sie die Sprecher*innen auf die Kategorien aufmerksam, die verwendet werden: „Wen meinen Sie mit ‚wir‘?“

Es wäre gut, wenn Sie (auch für die Umstehenden hörbar) deutlich zeigen, dass das Thema nicht einfach ist, aber kein Weg daran vorbeiführt. Menschen, die nach 1945 in Deutschland geboren sind, tragen nicht die Schuld an dem Holocaust, sie tragen aber die Verantwortung, dass dies nicht mehr geschieht. Ohne Erinnerung gibt es keine Zukunft. Insofern geht der Holocaust uns alle etwas an. Aktuelle Forschungen zeigen, dass die Traumata der Shoah selbst an die dritte und vierte Nachkommensgenerationen von Holocaust-Überlebenden weitergegeben wurden.

Mehr dazu lesen Sie hier:

und ausführlicher hier:

Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Wenn Sie das Gefühl haben, die Sprecher*innen sind dafür offen, regen Sie eine andere Form der Auseinandersetzung an: Es gibt etliche gut gemachte Ausstellungen, Lesungen, Filme, Theaterstücke, die sich dem Thema Holocaust auf unterschiedlichste Art und Weise nähern.

Wenn das Thema Holocaust Sie überfordert, versuchen Sie, sich dem Thema anders zu nähern, als Sie das bisher gemacht haben: Suchen Sie sich Unterstützung von Initiativen oder von Jüdischen Museen in Ihrer Nähe. Anlaufstellen in ganz Deutschland finden Sie unter Hilfe & Infos.

Workshops und Fortbildungen für Erwachsene gibt es bei vielen Bildungseinrichtungen und Jüdischen Museen in ganz Deutschland, zum Beispiel hier:

Auch im Internet finden Sie empfehlenswerte Projekte zum Thema Holocaust und Gedenken:

  • kostenloser Onlinekurs (englisch) als Einführung der Yad VaShem Internationale Holocaust Gedenkstätte
  • interaktive Karte mit jüdischem Leben in Deutschland des Projekts Jewish Places
  • Videos mit Zeitzeugenberichten von Facts about the Holocaust

Was hinter der Abwehr von Themen wie Holocaust und Erinnerung steckt, können Sie hier nachlesen:

  • Kapitel 4.3 im Forschungsbericht der Frankfurt University of Applied Sciences
Zitat 12 von 35

Aussage, mehrfach getätigt von einem Lehrer, von akademischen Angestellten einer Stiftung und von links-politisch engagierten Akademikern, in Berlin, Frankfurt und Hamburg

Israel provoziert den Antisemitismus.“

Mit seiner Aussage geht der Sprecher davon aus, dass Israel oder die Israelis selbst Schuld sind am Antisemitismus auf der Welt, weil sie Jüdinnen*Juden sind. Eine solche Aussage hat psychologisch die Funktion, diejenigen zu entlasten, die sich antisemitisch äußern. Wer die Opfer von antisemitischen Übergriffen und Feindseligkeiten in Täter*innen umwandelt, wer sagt, es sei aufgrund der Politik des israelischen Staates legitim, Jüdinnen*Juden zu hassen, denkt und handelt gehässig.

Zu behaupten, es gäbe an den Jüdinnen*Juden grundlegend böse, negative Eigenschaften, die Judenhass rechtfertigen, war und ist falsch. Der Antisemitismus existiert unabhängig vom Handeln des israelischen Staates, unabhängig davon, wie Jüdinnen*Juden sich verhalten.

Und: Um die Politik Israels zu kritisieren, braucht man den Antisemitismus nicht. Wer hingegen Israels Daseinsberechtigung in Frage stellt oder gar ablehnt, ist sehr wohl ein Antisemit. Er*Sie spricht Jüdinnen*Juden das Recht auf ein eigenes Land, einen eigenen Staat ab.

Mehr dazu lesen Sie hier:

Problematisch ist hier zudem, dass Antisemitismus (also Judenfeindschaft) direkt mit Israel in Beziehung gesetzt wird. Israel ist eine vielfältige, eine plurale demokratische Gesellschaft, auch wenn die Demokratie seit 2023 unter starkem innenpolitischen Druck steht (hier mehr dazu von der bpb Bundeszentrale für politische Bildung).

Israel bedeutet nicht (nur) Judentum und jüdisch ist nicht gleich Israel. So beträgt der Anteil der arabischen Israelis an der israelischen Bevölkerung etwa 20 Prozent, im israelischen Parlament sind arabische Abgeordnete vertreten.

Der ‚Nahostkonflikt‘ dient heute vielen als Projektionsfläche für ihre judenfeindlichen Gedanken und Gefühle. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass judenfeindliche Briefe an jüdische Institutionen und Vertreter*innen und auch judenfeindliche Kommentare im Internet zunehmen, wenn es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinenser*innen kommt.

Mehr dazu können Sie zum Beispiel hier nachlesen:

Antisemitismus beschränkt sich nicht auf eine einzelne Bevölkerungsgruppe, auf ein Geschlecht oder auf Akademiker*innen. Bildung allein schützt nicht vor Antisemitismus.

Sie sind nicht sicher, wann es sich um Kritik oder um Antisemitismus handelt? Hier eine Orientierung:
Kritik an Israel ist antisemitisch,…

  • wenn Israels Existenzrecht und/oder das Recht zur Selbstverteidigung in Frage gestellt wird.
  • wenn Israel mit anderen Maßstäben gemessen wird als andere Länder.
  • wenn mit antisemitischen Redewendungen, Symbolen oder Bildern über Israel gesprochen wird – zum Beispiel, wenn Israelis als das „Übel der Welt“ verteufelt und dämonisiert werden.
  • wenn die israelische Politik oder Israelis mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt werden.
  • wenn Jüdinnen*Juden weltweit für die Politik Israels verantwortlich gemacht werden.

(siehe dazu Seite 204 in „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert” (De Gruyter))

Hinterfragen Sie das Gesagte: „Glauben Sie wirklich, wenn Israel seine Gesellschaft und seine Grenzen nicht verteidigen würde, oder der israelische Staat nicht existieren würde, gäbe es keinen Antisemitismus?“ Ein Blick auf die Geschichte vor 1948 sollte diese Aussage zumindest in Zweifel ziehen.

Führen Sie den Sprecher*innen vor Augen, dass der Antisemitismus auch ohne Israels Zutun exisitiert, man muss sich dafür nur die letzten Terroranschläge auf jüdische Einrichtungen in den USA und Europa anschauen. Oder anders gesagt: Der Antisemitismus ist bisher nie verschwunden, wenn es friedlicher zwischen Palästinenser*innen und Israelis war.

Wenn sich ein Gespräch ergibt, könnte man darauf hinweisen, dass Israel eine Gesellschaft mit vielfältigen politischen Positionen und Parteien ist, und nicht alle Israelis die Politik der Regierung unterstützen, genauso wenig, wie das in Deutschland der Fall ist.

Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Eine kurze Übersicht, was man unter israelbezogenen Antisemitismus versteht, finden Sie hier:

und etwas ausführlicher hier:

  • Kapitel 7.1.3. in „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“

Workshops zu den Themen ‚Nahostkonflikt‘ und Antisemitismus finden Sie zum Beispiel hier:

Mehr Anlaufstellen finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 13 von 35

E-Mail einer bekannten deutschen Wohlfahrtsorganisation an eine Bildungseinrichtung in Frankfurt am Main

„Von: XX

An: XX

Betreff: Anfrage für einen Besuch: Thema Jüdisches Leben in Frankfurt (evtl. Banken)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich plane für das Wochenende 5. – 07.10.18 eine Gruppe von 10 – 15 Personen aus verschiedenen Städten nach Frankfurt einzuladen. Wir sind alle an jüdischem Leben in Deutschland interessiert und haben mit der Bundeszentrale für politische Bildung mehrmals Israel besucht. Aus diesen Bildungsurlauben ist unser Interesse erwachsen. In Frankfurt als Bankenstadt interessiert die Gruppe besonders, was an dem Vorurteil dran ist, dass in Banken ein hoher Anteil jüdischer Angestellter waren oder sind? Auch würde uns die Arisierung privater Banken in der Nazizeit und dem Umgang damit nach 1945 interessieren. Können Sie mir einen Kontakt nennen, den ich mit dieser Fragestellung um ein Gespräch anfragen kann?
Mit freundlichen Grüßen

XX“

Auf den ersten Blick erscheint der*die Autor*in dieser E-Mail besonders interessiert und engagiert zu sein – er*sie hebt hervor, dass ihre*seine Gruppe „an jüdischem Leben in Deutschland interessiert“ sei und mehrmals Israel besucht habe.

Dies scheint sie*ihn jedoch nicht davor zu schützen, sich – bewusst oder unbewusst – uralter Vorurteile zu bedienen: dem der „Geld-affinen Juden“, die angeblich zu einem hohen Anteil in Banken arbeiten. Dabei handelt es sich um ein klassisches antisemitisches Stereotyp. Dies mag der*dem Schreiber*in der Mail gar nicht bewusst sein, dennoch scheint es so tief in den Köpfen der Gruppe verankert zu sein, dass sie das Vorurteil auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen möchten, bevor sie glauben, dass es nur Vorurteil ist („…was an dem Vorurteil dran ist, dass in Banken…“).

Der Begriff „Arisierung“ wurde von den Nazis benutzt, um zu beschreiben (und zu rechtfertigen), wie die Nationalsozialisten ab 1933 mit den Nürnberger Gesetzen jüdische Geschäfte, Arbeitsplätze, Besitztümer den Jüdinnen*Juden enteignet und gestohlen haben. Das Wort beschreibt also im Nazi-Jargon den Diebstahl und den erzwungenen Verkauf von jüdischem Besitz und die Verdrängung von Jüdinnen*Juden aus der Arbeitswelt, aus ihren Geschäften, Wohnungen, aus der Wissenschaft. Die*der Schreiber*in wiederholt diesen Nazi-Jargon, sie*er nutzt nicht mal Anführungsstriche – ganz so als handle es sich dabei um eine legitime Bezeichnung.

Leider schützen Bildung und auch Bildungsreisen nach Israel nicht vor antisemitischen Denkmustern. Mehr dazu können Sie hier nachlesen:

Mehr über die Nürnberger Gesetze finden Sie hier:

Mehr darüber, wie hartnäckig sich die Sprache der Nazis im heutigen Sprachgebrauch hält, lesen Sie hier:

Ein Überblick und eine kurze Erklärung zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen von Antisemitismus finden Sie hier:

und vertiefend hier:

  • Kapitel 11.3 in „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert” (De Gruyter)

Sie können in Ihrer Antwort den Sachverhalt erklären und bitten, das Vorurteil nicht mehr zu benutzen. Es ist wichtig, die einzelnen Sätze und ihre Problematik zu erklären („In Frankfurt als Bankenstadt interessiert die Gruppe besonders, was an dem Vorurteil dran ist, dass in Banken ein hoher Anteil jüdischer Angestellter waren oder sind?“ und „Arisierung“).

Man könnte die Verfasser*innen darum bitten zu hinterfragen, warum sie nicht die Anzahl der Christ*innen oder Muslim*innen in den Banken interessiert.

Es wäre wichtig zu erklären, dass der Begriff „Arisierung“ auf die Nazis zurückgeht und was er eigentlich bedeutet: der Diebstahl und der erzwungene Verkauf von jüdischem Besitz und die Verdrängung von Juden aus der Arbeitswelt, aus ihren Geschäften, Wohnungen, aus der Wissenschaft nach den Nürnberger Gesetzen ab 1933.

Es ist wichtig in Kontakt zu bleiben, der Gruppe also eine Form von Aufklärung anzubieten, die sie nicht vor den Kopf stößt. Antisemitische Vorurteile, die den Menschen nicht bewusst sind, lassen sich am besten dadurch bekämpfen, dass der- oder diejenige versteht, was an diesen Äußerungen problematisch ist. Da sich die Gruppe für das Thema interessiert, sollte man erstmal davon ausgehen, dass sie auch für eine Beschäftigung mit dem Thema offen ist – wenn man es richtig angeht, sind sie möglicherweise froh, in Zukunft nicht mehr aus Versehen antisemitisch zu argumentieren.

Es ist vielleicht sinnvoll, den Verfasser*innen einen Workshop zum Thema antisemitische Vorurteile anzubieten. Workshops zum Thema Vorurteile und Antisemitismus werden von vielen Jüdischen Museen mit pädagogischer Abteilung angeboten, aber auch von kirchlichen Trägern, Vereinen oder von Städten selbst. Schauen Sie unter „Wo bekomme ich Hilfe?” nach Anlaufstellen.

Workshops zum Thema Antisemitismus, die für judenfeindliche Sprache und Vorurteile aufklären und sensibilisieren, finden Sie hier:

Mehr Anlaufstellen finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 14 von 35

Eine Lehrerin nach einer Gedenkveranstaltung am 9. November in Hessen

„Heute erinnern wir an die ermordeten Juden in der Pogromnacht. Aber nicht nur an sie sollen wir erinnern. Auch an die vielen deutschen Soldaten, die für uns gekämpft haben und unschuldig gefallen sind. Sie waren ja keine Nazis.“

Nach der Logik der Lehrerin lautet die Gleichung: „Sowohl Soldaten als auch Jüdinnen*Juden sind gestorben, ein gewaltsamer Tod ist immer schlimm.“ Dieser Vergleich ist nicht berechtigt, er ist historisch betrachtet falsch. Hier werden zwei Ereignisse verglichen, die nicht vergleichbar sind: Die zivilen Opfer eines Völkermords durch die Nazis – insbesondere die ermordeten rund 1300 infolge der Pogromnacht – werden mit den gefallenen deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs gleichgesetzt. Ein Weltkrieg, den Deutschland begonnen hat. Es entsteht so der Eindruck als wären Krieg und Völkermord dasselbe. Juden und Jüdinnen hatten keine Wahl, sie wurden ermordet, viele deutsche Soldaten sind hingegen mit Stolz und Ehrgefühl in den Krieg gezogen. Zudem waren auch Soldaten der Wehrmacht an der Ermordung von Jüdinnen*Juden unmittelbar beteiligt.

Die Lehrkraft spricht von den „vielen deutschen Soldaten, die für uns gekämpft haben” und positioniert sich auf der Seite einer deutschen Volksgemeinschaft, deren Soldaten ihrer Worte nach „unschuldig gefallen” sind. Sicherlich gab es Soldaten, die nicht freiwillig in den Krieg gezogen sind. Trotzdem war die Wehrmacht ein entscheidender Akteur und Teil des Nazi-Regimes. Mit ihrer Aussage stellt sie Soldaten implizit als Opfer dar. Die Bedeutung des Holocaust wird in Frage gestellt, verharmlost oder herunter gespielt, Täter*innen und Opfer werden in ihren Rollen vermischt und gleichgesetzt.

Die Argumentation der Lehrerin (die Abwehr der Schuld der deutschen Bevölkerung, die Täter-Opfer-Umkehr) ist typisch. Oft steckt hinter der Argumentation der Wunsch, wieder ungebrochen positiv (oder positiver) auf das Deutsch-Sein blicken zu können, einen Schlussstrich zu setzen und sich somit unangenehmer Gefühle in Bezug auf die deutsche Identität zu befreien.

Nicht-jüdische Deutsche haben Verwandte im Zweiten Weltkrieg verloren und jeder Verlust ist schmerzlich. An dieser Stelle ist aber der Kontext bemerkenswert: Der Satz stammt von einer Lehrerin. Sie ist im staatlichen Dienst tätig und spricht nach einer Gedenkveranstaltung für die Pogromnacht vom 9. November 1938. Die Lehrerin wird ihrer Rolle nicht gerecht, sie sollte Ihren Schüler*innen erklären, dass in dieser Nacht Jüdinnen*Juden und ihre Einrichtungen von deutschen Bürger*innen gezielt angegriffen, ausgeraubt, Menschen gedemütigt, vertrieben, inhaftiert und ermordet wurden. Stattdessen relativiert sie das Ereignis durch einen unzulässigen Vergleich, sie setzt einen Angriff auf Zivilist*innen mit einem Angriff auf Soldaten während eines Weltkrieges gleich – nicht nur inhaltlich sondern auch zeitlich völlig unterschiedliche Ereignisse. Sie lehnt damit die deutsche Verantwortung für die Pogrome ab. Dieser Eindruck wird verstärkt, weil sie keine Täter benennt. „Die Juden” sind bei ihr nur eine Gruppe von Opfern, denen etwas passiv passiert ist („die ermordeten Juden”).

Konfrontieren Sie die Sprecher*innen mit konkreten Fragen. verschaffen Raum und Zeit für Reaktionen und regen im besten Fall einen Gedankenprozess an:

„Warum ist es Ihnen wichtig, an die Soldaten zu erinnern, wenn es hier doch heute um eine Gedenkveranstaltung um die Pogromnacht geht?“

„Wenn Sie sagen, die Soldaten waren keine Nazis – wer waren dann die Nazis?“

Versuchen Sie, das Gespräch darauf zu führen, dass die Sprecher*innen über ihre eigenen Motivationen nachdenken. Dies ist nicht einfach, vor allem bei dem Thema nicht. Die eigene (eventuell unaufgearbeitete) Familiengeschichte und Schicksale in der Verwandtschaft könnten Einfluss auf das Gesagte haben. Versuchen Sie, nichts zu unterstellen oder vorzuwerfen, nur so halten Sie das Gespräch offen.

Es geht bei diesen Fragen darum, die Sätze nicht unwidersprochen hinzunehmen und auch die umstehenden Zuhörer*innen zum Hinterfragen und Überdenken dieser Sätze zu ermuntern. Eine Reaktion ist also in jedem Fall sinnvoll.

Die Amadeu Antonio Stiftung hat dem Spruch „Die Deutschen haben ja auch gelitten“ eine eigene Seite innerhalb ihres Projekts „Nichts gegen Juden“ gewidmet, die erklärt, warum die Aussage problematisch ist.

Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, was in der Nacht vom 9. November auf den 10. November 1938 in Deutschland passierte, lesen Sie hier weiter:

Wenn Sie mehr über den Holocaust erfahren wollen und wer ihn ausgeführt hat, lesen Sie hier weiter:

Beratung für Lehrkräfte zu Antisemitismus und wie er heute in Erscheinung tritt, finden Sie hier:

Mehr Anlaufstellen in ganz Deutschland finden Sie unter Hilfe & Infos.

Hier lesen Sie, wie die Echos der Nazizeit heute noch ihren Weg in den öffentlichen Diskurs und durch Lehrkräfte in deutsche Schulen finden:

Zitat 15 von 35

Schüler zu einem jüdischen Mitschüler

Ihr Juden macht da unten im Nahen Osten so eine Scheiße.“

Der Schüler sagt „Ihr Juden“ als handele es sich bei Juden*Jüdinnen um eine einheitliche Gruppe weltweit, in der alle die gleichen Ziele, die gleichen Überzeugungen haben und gleich handeln. Eine solche Sicht verleugnet jede Vielfalt, vereinfacht, ist antisemitisch und für keine Gruppe in Ordnung. Ähnlich unsinnig wäre es zu sagen, alle Christ*innen in Deutschland seien gleich.

Der Redner hier grenzt sich mit diesen Worten gleichzeitig ab: „Ihr Juden“ steht einem unausgesprochenen „Wir….“ gegenüber. Die Zuweisung „Ihr Juden“ schließt von der eigenen Gruppe aus und erklärt diese Gruppe als „anders“, nicht zugehörig, fremd. Deutschen Juden*Jüdinnen wird somit in dieser Argumentation der Status „deutsch“ aberkannt.

Meist geschieht dies, um abzuwerten, wie auch in diesem Fall: Der Sprecher hier adressiert den jüdischen Schüler als Repräsentanten von Israels Politik, verantwortlich für den ‚Nahostkonflikt‘. Das ist in jeder Hinsicht absurd. Kein Mensch ist allein für die Politik einer Regierung verantwortlich, geschweige denn für einen regionalen Konflikt. Juden*Jüdinnen sind nicht automatisch Israelis, und Israelis sind nicht automatisch Repräsentanten der Politik von Israels Regierung.

In diesem Fall klingt in den Worten des Sprechers mit, Israel habe mit seiner Gründung und seiner Existenz eine vermeintliche Harmonie im Nahen Osten gestört. Dies ist absurd, man betrachte dazu die Konflikte in der Region vor der Gründung Israels 1948.

Mehr zum Hintergrund des Stereotyps des „Juden als Fremden“ und „Juden als Israelis“, lesen Sie hier:

Mehr zu israelbezogenem Antisemitismus lesen Sie hier:

Dieses Zitat stammt aus dem Forschungsbericht „Mach mal keine Judenaktion!“ der Frankfurt University of Applied Sciences:

Wenn Sie – ganz egal an welchem Ort – Zeug*in einer solchen Aussage werden, hilft es meist, mit Fragen die Sprecher*innen mit ihrer Aussage zu konfrontieren. Fragen verschaffen Raum und Zeit für Reaktionen und regen im besten Fall einen Gedankenprozess an:
„Wen meinst du mit ‘Ihr Juden’?“
„Woher hast du deine Informationen?“

Versuchen Sie Ihr Gegenüber zum Nachdenken zu bringen und führen Sie die Absurdität dieser Aussage vor Augen. „Was hat Schüler XY aus deiner Sicht damit zu tun, was in Israel passiert?”
„Du denkst also XY könnte den Konflikt lösen, wenn er sich ein bisschen Mühe gibt?“
„Denkst du, alle Juden sind Ísraelis und alle Israelis Juden? Sind dann auch die palästinensischen Israelis Jüdinnen*Juden? Und wie ist das mit den Christ*innen, die in Israel leben?“

Wenn Sie die Möglichkeit für ein längeres Gespräch haben, versuchen Sie dem*der Sprecher*in zu vermitteln, dass es – wie in Deutschland – auch in der israelischen Gesellschaft alle Facetten von Meinungen, politische Überzeugungen und etliche Parteien gibt, die diese widerspiegeln: vom links-liberalen bis zum rechtsnationalen Spektrum. Und dass es immer falsch ist, ein ganzes Volk über einen Kamm zu scheren, in dem man behauptet, alle Bürger*innen hätten die gleichen Ziele.

Für Lehrkräfte und Umstehende gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Betroffene und deren Familien finden hier Hilfe:

Eine kurze Übersicht, was man unter israelbezogenen Antisemitismus versteht, finden Sie hier:

und etwas ausführlicher hier:

  • Kapitel 7.1.3. in „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“ (De Gruyter)

und hier:

Für Lehrkräfte und Pädagog*innen gilt: Sie müssen mit solchen Reaktionen und Interventionen nicht allein umgehen. Workshops zu den Themen ‚Nahostkonflikt‘ und Antisemitismus finden Sie zum Beispiel hier:

Unterrichtsmaterialien zum Thema finden Sie zum Beispiel hier:

Unter Hilfe & Infos finden Sie weitere Initiativen in ganz Deutschland, die Workshops und Unterrichtsmaterial anbieten und Sie unterstützen.

Zitat 16 von 35

Eine Lehrkraft in Frankfurt am Main

„Ich habe natürlich nichts gegen Juden, die sind für mich ganz normale Menschen wie alle anderen. Aber das, was in Israel passiert, kann ich als Menschenrechtlerin einfach nicht hinnehmen.“

Wenn Sätze mit „Ich habe ja nichts gegen…“ anfangen, und dann ein ABER folgt, ist dies meist eine umstrittene Aussage – ganz egal, ob sich das Gesagte gegen Ausländer*innen, Homosexuelle, Muslim*innen oder Jüdinnen*Juden richtet. Das, was nach dem ABER folgt, ist meist eine feindliche Aussage – warum sonst hat der Sprecher hier das Bedürfnis, vorher klar zu machen, dass er eigentlich nichts gegen Jüdinnen*Juden hat?

Hinter dem „ABER“ steckt die Aussage: „Ich würde so gerne nichts Schlechtes gegen Juden sagen, aber die zwingen mich dazu mit ihrem Verhalten.“ Damit entlastet sich die Sprecherin hier selbst. „Es geht mir nur um die Menschenrechte, deshalb darf ich das sagen.“ Ihre Selbstbezeichnung als Menschenrechtlerin impliziert, sie sei im Recht, auf der richtigen Seite.

Mehr zu kritischen Phrasen wie „Ich habe nichts gegen Juden, aber…” lesen Sie hier:

Natürlich ist nicht jede Kritik an Israels Politik antisemitisch. Sie ist es zum Beispiel nicht, wenn sie mit der Kritik an der Politik an anderen Staaten vergleichbar ist. Sie ist es aber, wenn sie Jüdinnen*Juden pauschal verurteilt und dämonisiert.
Hier stellt die Lehrerkraft einen expliziten Zusammenhang her, indem sie zunächst von „den Juden“ spricht, gegen die sie nichts habe, und im weiteren dann von Israel, ganz so als seien „die Juden“ mit dem Staat Israel identisch. Grundsätzlich gilt: Wenn eine ganze Gruppe verallgemeinernd kritisiert wird, und dabei nicht auf konkrete Handlungen oder Ereignisse eingegangen wird, ist so eine Kritik problematisch und kritisch zu hinterfragen. Konkret heißt das: Das Fehlverhalten einer*eines Deutschen darf nicht zu einer Verunglimpfung von deutschen Menschen oder des deutschen Staates führen. Das trifft auf Jüdinnen*Juden natürlich ebenso zu.

Mehr dazu lesen Sie hier:

Der ‚Nahostkonflikt‘ dient leider oft als Projektionsfläche für judenfeindliche Gefühle, Aussagen und Taten. Das, was sich viele Menschen nicht über Jüdinnen*Juden zu sagen trauen, ersetzen sie mit „die Israelis“ oder „Israel“ und wähnen sich damit auf der sicheren Seite. Dieser verdeckte Antisemitismus ist seit 1948 sehr häufig anzutreffen – mal bewusst, mal unbewusst. Gleichzeitig betont der Sprecher hier, dass es sich bei Jüdinnen*Juden um „ganz normale Menschen wie alle anderen“ handelt. Wenn er*sie das wirklich denken würde, müsste diese Aussage nicht noch extra hervorgehoben werden. Die Sprecherin hier ist eine Lehrkraft. Bildung schützt leider nicht vor antisemitischen Denkmustern. Mehr dazu lesen Sie hier:

Fragen Sie nach: „Was hat denn Ihre Haltung gegenüber Juden mit der Menschenrechtslage in Israel zu tun?“

„Warum heben Sie hervor, dass Sie nichts gegen Juden haben?“

„Warum betonen Sie, dass Sie Juden für ganz normale Menschen halten?“

„Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen Juden und der Politik des Staates Israel?“

Oder: „Was meinen Sie mit ‚das, was in Israel passiert‘? Warum machen Sie alle Juden dafür verantwortlich?“

„Sprechen Sie sich auch so leidenschaftlich gegen Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern aus?“

Stoßen Sie ein Gespräch an. Es kann durchaus sein, dass sich die Sprecher*innen dieser Sätze ihrer Denkmuster nicht bewusst sind. Zur Kontrolle kann sich jeder für sich folgende Fragen stellen:
Was sind meine Beweggründe für eine Kritik an Israel? Kritisiere ich Israel anders als andere Staaten? Wenn ja, warum? Beschäftigt mich der Nahostkonflikt mehr als andere Konflikte? Und warum ist das vielleicht so? Bin ich selbst bereit, meine Position zu Israel aufgrund von Fakten zu ändern?

Viele Initiativen in ganz Deutschland bieten Fortbildungen für Erwachsene zum ‚Nahostkonflikt‘ an, die die unterschiedlichen Perspektiven herausarbeiten. Vor allem Lehrkräfte, Pädagog*innen und Multiplikator*innen sollten sich unbedingt Unterstützung suchen, wenn das Thema sie überfordert. Laden Sie externe Expert*innen ein. Ignorieren Sie das Thema nicht, bloß weil es unübersichtlich und kompliziert ist.

Workshops finden Sie zum Beispiel hier:

Mehr Anlaufstellen finden Sie unter Hilfe & Infos.

Hier finden Lehrkräfte Unterrichtsmethoden zum Nahostkonflikt, zum Beispiel spielerische Quizze, die die unterschiedlichen Sichtweisen auf den Konflikt deutlich machen:

Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Zitat 17 von 35

Facebook-Nutzer in der Kommentarspalte eines Artikels zum Nahostkonflikt

„Die Zionisten können tun und lassen, was sie wollen in Israel, die haben die ganzen Medien doch gekauft.“

Der Sprecher nutzt hier den Begriff „Zionisten“ als Synonym für Jüdinnen*Juden und Israelis. Er behauptet, die „Zionisten“ würden die Medien und damit die Welt beherrschen – das ist eine klassische antisemitische Verschwörungsfantasie, die seit Jahrhunderten existiert. Gleichzeitig geht der Sprecher von dem Vorurteil des „geld-affinen“ Juden aus, der in der Lage ist die Medienhäuser dieser Welt „zu kaufen“. Auch dies ist altes verbreitetes Stereotyp.

Mehr zu Stereotypen über Juden und israelbezogenen Antisemitismus lesen Sie hier nach:

Israel ist ein demokratischer Staat, mit einer unabhängigen Justiz und Strafverfolgung, einer kritischen Presse und politischer Opposition – auch wenn die Demokratie und das Justizsystem seit 2023 stark unter innenpolitischem Druck stehen (mehr dazu lesen Sie hier von der bpb Bundeszentrale für politische Bildung). Die Behauptung, irgendjemand könnte in Israel machen, was er wollte, ist Quatsch. Straftäter*innen – egal, ob sie Religiöse, Soldaten oder hohe Politiker sind – landen vor Gericht.

Verschwörungsfantasien wie diese („die Zionisten haben die ganzen Medien gekauft“) haben für die, die an sie glauben und verbreiten, die Funktion, unsere durchaus komplizierte Welt zu vereinfachen, in dem zum Beispiel höhere Mächte hinter bestimmten Ereignissen vermutet werden. Sie haben das Ziel, sich selbst vom Denken zu entlasten, andere für die eigene schlechte Situation zu beschuldigen. Das größte Problem: Diese Verschwörungsfantasien lassen sich meist nicht als falsch beweisen, und jedes Gegenargument wird als Beweis gedeutet, dass hier etwas vertuscht werden soll.

Mehr zur Funktion von Verschwörungsfantasien lesen Sie hier:

Fragen Sie nach: „Wen meinen Sie mit Zionisten?“

„Woher haben Sie das?“

„Wie sicher sind Sie sich, dass in Israel jeder machen kann, was er will?“

„Haben Sie dafür Beispiele?“

Durch gezielte Fragen können Sie die Sprecher*innen darauf aufmerksam machen, dass hier nicht nur stark verallgemeinert wird, sondern auch absurde Verschwörungsfantasien angesprochen werden: „Wenn das stimmt, was Sie sagen, warum gab es dann schon kritische Berichterstattung, zum Beispiel in der Tagesschau und im Spiegel, zur Siedlungspolitik?“

„Schauen Sie bloß mal unter diesen Facebook-Post – wie viele Kommentare sehen Sie dort, die Israel kritisieren?“

Doch – das ist der Knackpunkt von Verschwörungsfantasien – meist bringen Fakten wenig, um die Sprecher*innen vom Gegenteil zu überzeugen. Es kann sogar sein, dass diese Fakten als Bestätigung für die Verschwörungen gedeutet werden.

Versuchen Sie lieber auf die typischen Merkmale von Verschwörungsdenken aufmerksam zu machen: sich selbst als ohnmächtig und als Opfer darstellen, vereinfachte Schwarz-Weiß-Bilder der Welt zu erschaffen, die Existenz einer Welt „hinter den Kulissen“ zu vermuten. Und weisen Sie auf die Funktion solcher Theorien hin: sich selbst wohler damit fühlen, die Welt und ihre Komplexität verstanden zu haben und scheinbar eindeutige Antworten auf schwer erklärbare Phänomene zu haben, anderen die Schuld für eine unangenehme Sache geben und sich selbst entlasten, aber auch: sich nicht länger ohnmächtig fühlen.

Fragen Sie nach: „Welche Medien nutzen Sie?“ Und: „Meinen Sie, man kann Quellen aus dem Internet alles glauben?“

Wichtig ist: Ignorieren Sie das Gesagte nicht. Gerade, wenn Sie die Sprecher*innen nicht erreichen, so gibt es dennoch Mithörer*innen (Mitleser*innen im Internet), also Zeug*innen, die Sie damit zum Nachdenken bringen können und ermutigen, sich mit der Debatte auseinanderzusetzen.

Zum Umgang mit Verschwörungsfantasien im Internet gibt es hier sinnvolle Strategien:

Hier finden Lehrkräfte und Pädagog*innen Ideen und Methoden für den Unterricht zum Umgang mit Verschwörungsfantasien:

Unter Hilfe & Infos finden Sie weitere Anlaufstellen in ganz Deutschland.

Zitat 18 von 35

Älterer Herr bei einer Podiumsdiskussion in Hessen

„Der Holocaust ist eine Schande. Ich pflege die Stolpersteine bei mir im Dorf. Ich achte darauf, dass nichts in Vergessenheit gerät. Aber das, was die Israelis in Palästina machen, das geht einfach gar nicht.“

Zu allererst: Der Mann bezeichnet den Holocaust als „Schande“ – das Wort bedeutet „etwas, was jemandes Ansehen in hohem Maße schadet“ oder ein „in höchstem Maße beklagenswerter, empörender, skandalöser Vorgang, Zustand, Sachverhalt.“ Quelle: Duden.de

In Zusammenhang mit einem systematisch ausgeführten Massenmord ist das eine bedenkliche Wortwahl.
Der Sprecher hebt direkt im nächsten Satz hervor, dass er die Stolpersteine in seinem Dorf pflegt, möglicherweise fühlt er sich daher berechtigt, pauschal zu verurteilen.

Der ‚Nahostkonflikt‘ emotionalisiert viele Menschen weitaus mehr als andere Konflikte auf der Welt. Studien haben gezeigt, dass Gefühle von Hass, Wut und Empörung in Bezug auf Israel und den israelisch-palästinensischen Konflikt besonders hoch sind, während andere Konflikte in der Region (Türkei, Syrien, Irak) gleichgültig betrachtet oder gar ignoriert werden. Hier erfahren Sie mehr darüber:

Gleichzeitig verknüpft der Sprecher den Holocaust mit dem ‚Nahostkonflikt‘, wenn er seiner Stolperstein-Pflege hinzufügt: „…aber das, was die Israelis in Palästina machen…“. Israel veranstaltet keinen systematisch geplanten Massenmord an den Palästinenser*innen. Es verteidigt seine Grenzen und seine Bevölkerung gegen Feinde, bewaffnete Angreifer, Terroristen und gegen Raketenangriffe.

Und: Es gibt kein „die Israelis“, genauso wenig wie es etwas gibt, was „die Deutschen“, also alle, tun. Israel hat eine Gesellschaft mit einer Vielfalt an Meinungen, politischen Überzeugungen und Dutzenden Parteien. Militärische Einsätze und Regierungsentscheidungen finden in der israelischen Bevölkerung sowohl Befürworter als auch Gegner. Massendemonstrationen für soziale Gerechtigkeit oder gegen die gegenwärtige Regierung finden häufig statt und zeugen von einer lebhaften Demokratie, auch wenn diese seit 2023 stark unter innenpolitischem Druck steht (mehr dazu lesen Sie hier von der bpb Bundeszentrale für politische Bildung).

Mit seiner Aussage zeigt der Sprecher, dass zu seinem Bild von „den Juden“ nur die Opferrolle in sein Weltbild passt: als tote oder überlebende Opfer des Holocausts. Sobald „der Jude“ aus dieser Rolle fällt, aktiv handelt, und zum Beispiel politische oder militärische Entscheidungen trifft, verweigert ihm der Sprecher sein Mitgefühl, distanziert sich und verurteilt ihn. Dabei hat jeder Staat – Deutschland, die Schweiz oder Israel – ein Recht auf Selbstverteidigung.

Die Art des Sprechers zu argumentieren ist eine typische Floskel in der antisemitischen Sprache, mehr dazu hier:

Mehr zur Unterscheidung zwischen Kritik und Antisemitismus können Sie hier nachlesen:

Falls Sie mehr über diese Floskel erfahren wollen und was dahinter steckt, lesen Sie hier weiter:

Es ist wahrscheinlich, dass sich Menschen, die solche Aussagen machen, der Motivation ihrer Worte nicht bewusst sind. Es ist deshalb ratsam, ein Gespräch zu suchen, statt die Person zu verurteilen: „Was meinen Sie mit ‚was die Israelis in Palästina machen‘? Wovon konkret sprechen Sie?“

Fragen geben den Sprecher*innen Zeit, ihre Worte zu überdenken und gegebenenfalls einen Gedankenprozess anzuregen.

„Was hat der Holocaust mit dem Nahostkonflikt zu tun?“

„Warum ist es Ihnen wichtig, zu betonen, dass Sie die Stolpersteine pflegen, wenn Sie Kritik an Israel äußern wollen?“

Die Schrägheit solcher Vergleiche (Opfer des Holocaust / militärische Aktionen der israelischen Armee) lässt sich aufzeigen mit: „Glauben Sie, dass Israelis anders handeln als andere Menschen in ihrer Situation, bloß weil einige von ihnen den Holocaust überlebt haben?“

Fragen Sie nach: „Haben Sie den Eindruck, dass der Nahostkonflikt Sie mehr als andere Konflikte beschäftigt? Warum glauben Sie, ist das so?”

Fragen Sie offen, nur so kann ein Gespräch entstehen und die Sprecher*innen für Ihre Worte sensibilisiert werden.

Workshops zu den Themen ‚Nahostkonflikt‘, Vorurteilen und Antisemitismus finden Sie zum Beispiel hier:

Fragen Sie auch in einem Jüdischen Museum in Ihrer Nähe nach, ob es dort Angebote zum Thema gibt. Mehr Anlaufstellen finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 19 von 35

Ein Schüler, 7. Klasse, bei einer Rangelei zu einem anderen Schüler in Berlin

„Du Jude!”

Das Wort „Jude“ ist kein Schimpfwort. Hier aber nutzt es der Schüler, um den anderen abzuwerten. Zum Hintergrund: Von der Lehrkraft mit seinen Worten konfrontiert, hat er noch erklärt: Das Wort „Jude“ bedeute für ihn so etwas wie „Knecht“, eine Bezeichnung, die heute benutzt wird, um den niedrigeren Status einer Person zu beschreiben: „(meist abwertend) jemand, der (willenlos) Befehlen oder Zwängen zu gehorchen hat“ heißt es dazu im Duden.

Der Schüler geht also davon aus, dass hinter dem Wort „Jude“ eine Gruppe steht, die negativ gesehen wird, weniger wert, unterlegen. Seit Jahrhunderten wird versucht, Juden*Jüdinnen abzuwerten, in dem das Wort Jude als abwertendes Merkmal, als Beleidigung genutzt wird.

Der Ausspruch „Jude“ als Schimpfwort richtet sich gegen jüdische und nicht-jüdische Menschen, er hat das Ziel zu verletzen. Damit richtet er – auch unbeabsichtigt eingesetzt – Schaden an. Selbst wenn keine Juden*Jüdinnen im Raum sind! Solche Sprüche sorgen dafür, dass Antisemitismus weiter verbreitet wird, sie prägen das Bewusstsein von Gesellschaften, in dem sie das Wort mit Negativem verbinden und diese Verknüpfung am Leben erhalten.

Wenn Sie als Lehrkraft oder als Zeug*in im Alltag so einen Spruch mitbekommen, zeigen Sie unmittelbar eine Reaktion. „Jude“ als Schimpfwort ist nicht harmlos und darf nicht runtergespielt oder ignoriert werden. Reagieren Sie, drücken Sie aus, dass hier eine Grenze überschritten wurde, drücken Sie die Stopptaste. Wenn Sie das Gesagte ignorieren, werden die Schüler*innen es weiterbenutzen und diese verbale Form von Antisemitismus weiterverbreiten.
Es wäre gut, wenn Sie den Beschimpften zeigen – auch nicht-jüdischen Betroffenen! – dass Sie ihnen beistehen, sie schützen, indem Sie solidarisch mit ihm sind: „Du hast vielleicht diese Person angesprochen, aber das geht auch mich etwas an, der Spruch geht gegen die Werte unserer Gesellschaft.“
Es lohnt sich meist, mit Fragen zu reagieren: „Was genau meinst du damit?“

„Warum nutzt du dieses Wort als Schimpfwort? Warum ist das für dich eins?“

Das wichtigste ist, überhaupt zu reagieren.

Oft hilft es, die Sprecher*innen solcher Aussagen zum Nachdenken anzuregen: „Wie findest du es, wenn ‘Du Deutscher/Du Moslem/Du Christ’ als Schimpfwort verwendet wird?”
Eine weitere mögliche Reaktion, das Gegenüber zum Nachdenken zu bringen, wäre: „Danke für das Kompliment.“ Das Wort Jude als etwas Positives zu sehen ist ihm vielleicht bisher nicht in den Sinn gekommen. Diese Antwort sorgt für Irritation, die einen Denkprozess anregt. So ist vielleicht ein Gespräch über die Aussage möglich.

Eine Reaktion ist auch wichtig, wenn Ihnen der Spruch im Alltag außerhalb der Schule begegnet (in der Bahn, auf der Straße, auf der Arbeit): Zeigen Sie, dass Jude als Schimpfwort nicht akzeptabel ist – wenn Sie die Sprecher*innen nicht erreichen, senden Sie zumindest klare Stoppsignale an die umstehenden Zuhörer*innen und Zeug*innen. Zeigen Sie, dass so ein Spruch gegen Ihre Wertvorstellungen geht: Eine bestimmte Gruppe herabzusetzen ist nicht akzeptabel in unserer demokratischen Gesellschaft, Respekt gegenüber jedem Menschen ist im Grundgesetz verankert. Aber: Bringen Sie sich nicht in Gefahr!

Für Lehrkräfte gilt: Sie müssen mit solchen Reaktionen und Interventionen nicht allein umgehen. Folgende Anlaufstellen bieten Beratung und Workshops zu den Themen „Jude als Schimpfwort“, Ausgrenzung und Antisemitismus an der Schule:

Unter Hilfe & Infos finden Sie weitere Anlaufstellen in ganz Deutschland.

Zum Umgang mit Antisemitismus in der Schule lohnt es sich hier weiterzulesen:

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Eine kaufmännische Angestellte in Rendsburg

„Ich war neulich zum ersten Mal im Jüdischen Museum Frankfurt und war beeindruckt. Es ist doch offenbar schon so, dass die Juden sehr unterschiedliche Riten und Traditionen als wir haben und offenbar sehr – auch weltweit – zusammenhalten und zusammenhängen. Es ist mir zum Teil doch fremd.“

Die Sprecherin empfindet Befremden, wenn Sie an Jüdinnen*Juden denkt. Sie hält jüdische Menschen für eine ihr fremde oder fremdartige Gruppe, die „anders“ ist als sie selbst und somit auch nicht zu ihrem Umfeld gehört. Sie drückt damit aus, dass sich Jüdinnen*Juden außerhalb ihrer Vorstellung von „normal“ bzw. von deutsch, befinden. Jüdinnen*Juden sind ihren Worten nach exotisch. Bei diesem „Fremdmachen“ bleibt es nicht, die Sprecherin vermutet ein verschwörerisches Zusammenhalten, welches sie misstrauisch macht: „… weltweit – zusammenhalten und zusammenhängen“. Das ist ein uraltes antisemitisches Vorurteil.

Dabei spricht sie von „den Juden“ als einheitliche Gruppe, als ob alle Jüdinnen*Juden, ob aus Dresden oder Bogota, grundsätzlich gleich denken, fühlen und handeln und daher gleich sind. Diese Gleichmacherei ist eindeutig antisemitisch und ebenso falsch wie die Annahme, alle Christ*innen wären gleich. „Über einen Kamm scheren” ist für keine Gruppe in Ordnung.

In diesem Fall sollte man sich klar machen: In Deutschland gelten „deutsch“, „christlich“, „weiß“ als Maßstäbe für Normalität. Daran gemessen erscheinen alle, die nicht in diese Kategorie fallen, als „anders“. Es kann helfen, Sprecher*innen solcher Aussagen darauf aufmerksam zu machen.

Suchen Sie das Gespräch, versuchen Sie zu erklären: „Es gibt nicht ‚die Juden‘, die alle so und so sind. Das ist ein Wunschdenken, welches jeglicher Realitätsüberprüfung nicht standhalten wird. Auch wenn es nicht böse gemeint ist, ist diese Vorstellung antisemitisch, da sie Jüdinnen*Juden zu Anderen und Fremden macht und ihnen als gesamte Gruppe bestimmte Eigenschaften zuschreibt.“

Wenn sich ein Gespräch entwickelt, könnten Sie zeigen, dass es ähnlich große Unterschiede zwischen Christ*innen innerhalb Deutschlands gibt – je nach Wohnort, Religiosität, Traditionsbewusstsein, Familie. Und dass es genauso falsch ist, alle Christ*innen über einen Kamm zu scheren und ihnen bestimmte Eigenschaften und Ziele zu unterstellen. Vielleicht ist dieser Vergleich näher an ihrer Lebenswelt und somit nachvollziehbarer. Nur: Kennzeichen des Antisemitismus ist, dass meist etwas Negatives unterstellt wird, wenn man von „zusammenhalten und zusammenhängen“ von Jüdinnen*Juden spricht, auch wenn die Sprecher*innen nicht die Absicht hatten. Es ist deswegen wichtig, auf diese Vorstellungen zu reagieren und sie nicht einfach hinzunehmen.

Reagieren Sie in jedem Fall. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Die meisten jüdischen Museen in Deutschland bieten Ausstellungen, Filme, Workshops und Kinderprogramm zu jüdischem Leben. Eine große Anzahl von Jüdischen Museen in ganz Deutschland finden Sie unter Hilfe & Infos.

In Deutschland leben geschätzte 150.000 bis 200.000 Jüdinnen*Juden – zu erwarten, dass eine persönliche Begegnung die Vorbehalte und Vorurteile abbaut, ist allein zahlenmäßig unrealistisch. Es gibt aber Initiativen, die eine Begegnung mit Jüdinnen*Juden ermöglichen, Raum für Fragen geben und das Ziel haben, Vorurteile abzubauen:

Manche Jüdische Gemeinde bieten Tage der Offenen Synagoge an. Erkundigen Sie sich bei der Gemeinde in Ihrer Nähe – bleiben Sie aber bitte höflich, falls Ihre Anfrage dort abgelehnt wird: Es ist nicht die Aufgabe jüdischer Gemeinden, PR für das Judentum zu machen.

Zitat 21 von 35

Schüler, 11. Klasse, eines Duisburger Gymnasiums

„Gott hat die Juden im Koran verflucht. Da steht drin, dass er sie mit den Christen zu Affen verwandeln wird. Wieso soll ich Juden mögen, wenn Gott selbst Juden nicht mag?“

Über das Thema „Antisemitismus aus dem muslimischen Milieu” wird viel diskutiert. Es gibt, wie in allen Gesellschaftsschichten, auch in den muslimischen Communities radikale Strömungen, die durchaus judenfeindliche Einstellungen haben. Es ist jedoch nie gerechtfertigt, eine gesamte Religion pauschal zu verteufeln – egal, ob es sich um das Judentum oder um den Islam handelt.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat sich klar gegen Antisemitismus positioniert:

Wer im Koran nach Zeilen sucht, die Judenhass rechtfertigen, wird diese finden. Genauso aber sind Stellen für das Gegenteil zu finden: das positive Hervorheben des Judentums als Religion mit nur einem Gott, als Volk des Buches, als Vorgänger des Islam und als Einfluss auf einige religiöse Praktiken im Islam.

In dem Zitat („Da steht drin, dass er sie mit den Christen zu Affen verwandeln wird”) spielt der Sprecher hier auf die Sure 5 Vers 60 des Koran an, die sich an die Sünder*innen unter den Jüdinnen*Juden richtet (übrigens auch an die Sünder*innen unter den Christ*innen). Die Erklärung, worum es in der Sure geht, und wie sie interpretiert werden kann, finden Sie hier:

Auch Sure 2 Vers 65-66 beschäftigt sich mit dem Umgang mit „Ungläubigen“:

Grundsätzlich lässt sich festhalten: Viele Stellen aus dem Koran (wie auch aus der Torah und dem Neuen Testament) ließen sich, aus dem Kontext gerissen, als Aufruf für Hass, Gewalt und Intoleranz interpretieren. Als Beispiel nehmen Sie diese aus Ihrem Kontext gerissenen Zitate:

„Es sollen auch ihre Kinder vor ihren Augen zerschmettert, ihre Häuser geplündert und ihre Frauen geschändet werden.“ (Jesaja 13,16)

„Wer über Gott spottet, muss sterben, die ganze Gemeinde soll ihn steinigen, egal ob er ein Einheimischer oder ein Fremder ist.“ (3. Buch Mose, 24,16)

In den Beispielen zeigt sich: Es ist immer problematisch, eine einzelne Zeile aus diesen jahrtausendalten Schriften alleinstehend und als allgemeingültig zu betrachten, ohne die Zeit und deren Sprache zu kennen, in der sie entstanden ist, ohne die Gegebenheiten der Situation zu kennen, auf die sie anspielen und ohne die Sprecher*innen einzuordnen, die sie von sich geben. Vor allem, ist es kritisch, sie als wörtliche Handlungsanweisungen für die heutige Zeit zu sehen.

Dazu schreibt auch die Europäische Janusz Korczak Akademie:

„Wer Judenhass im Namen des Islam zu legitimieren versucht – ganz gleich welcher politischen oder religiösen Richtung – findet auch Anschlussstellen im Koran, via Satellit auf einigen arabischen Sendern oder auf zahlreichen deutschen und ausländischen islamisch argumentierenden Social-Media-Plattformen. Eine Instrumentalisierung der Religion als Legitimationsfläche für antisemitische Ressentiments im muslimischen Milieu darf aber nicht dazu zu führen, Muslim_innen pauschal zu verurteilen. Es sollte nicht vergessen werden, dass sich im Koran auch gegenteilige Lesarten finden oder Lesarten, die den historischen Kontext und Interpretationen hinzuziehen, und dass sich eben auch Muslim_innen oder muslimische Organisationen gegen Antisemitismus engagieren.”

Quelle: Europäischen Janusz Korczak Akademie

Mehr zum historischen und religiösen Verhältnis von Islam und Judentum lesen Sie zum Beispiel hier:

Wenn Sie so eine Behauptung hören, lassen Sie sich nicht auf eine religiöse Diskussion ein. Machen Sie stattdessen klar, dass im Koran – wie in anderen religiösen Schriften im Christentum und Judentum – eine Bildsprache und Sprache verwendet wird, die Jahrhunderte alt ist und oft den Sinn hatte, Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen (z.B. rechtschaffen zu sein, gottesgläubig, die Gesetze der Religion zu befolgen), und dies anhand einer harschen Bildsprache deutlich zu machen. Keine dieser Schriften dienen dazu, sie heute heranzuziehen, um eine bestimmte Feindschaft einer Religion gegenüber einer anderen zu begründen – ganz egal, um welche Religion es sich handelt. Stellen Sie klar, dass keine Religion pauschal verurteilt werden sollte.

Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und kann auch nur von uns gemeinsam wirksam bekämpft werden. Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Das Jüdische Museum Frankfurt zum Beispiel bietet pädagogische Workshops zum Thema Islam und Judentum:

Lohnen könnte sich auch das Programm „AntiAnti” des Jüdischen Museums Frankfurt. Er richtet sich an Schüler und gegen Extremismus:

Das Projekt „Junge Muslime in Auschwitz” hilft Jugendlichen, antisemitische Vorurteile zu hinterfragen:

Mehr zu Antisemitismus in muslimischen Milieus und wie man sich ihm entgegenstellt, lesen Sie hier:

Workshops für Erwachsene und Schulen zu den Themen Vorurteile und Antisemitismus finden Sie hier:

Anlaufstellen in ganz Deutschland finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 22 von 35

Frage eines Freundes, als eine jüdische Deutsche erzählt, sie fahre nach Israel in den Urlaub

„Fährst du wieder in die Heimat?“

Eventuell ist sich der Sprecher hier der Wirkung seiner Aussage gar nicht bewusst. Es ist aber irrelevant, wie seine Frage gemeint ist, sondern wie sie wirkt: Er geht davon aus, dass deutsche Jüdinnen*Juden Israel automatisch als „Heimat“ sehen – und sagt damit indirekt: Deutschland ist nicht deine Heimat.

Sicher haben viele deutsche Jüdinnen*Juden eine besondere Beziehung zu Israel, schließlich ist es das einzige Land, von dem sie wissen, dass es sie, allein aufgrund jüdischer Großeltern oder Eltern, als Staatsbürger*innen aufnehmen würde. Doch diese symbolische Rolle als Bezugs- und potentieller Zufluchtsort bedeutet nicht automatisch, dass Israel in erster Linie als eigene Heimat betrachtet wird. Warum sollte eine Jüdin, in Köln geboren, dort zur Schule gegangen, die mit Kommilitonen den Karneval feiert, sich ohne Sprachkenntnisse in der Wüstenstadt Beersheva beheimatet fühlen? Bei der Vermutung, für jüdische Deutsche wäre Israel mehr Heimat als es Deutschland ist, handelt es sich um ein Vorurteil.

Es hat zudem einen Beigeschmack: Es geht davon aus, dass die deutschen Juden*Jüdinnen nicht zu Deutschland gehören, selbst wenn sie dort geboren sind, macht sie fremd, nicht-zugehörig, grenzt sie aus. Diese Ausgrenzung ist ein typisches Merkmal antisemitischer Aussagen. Zudem schließt sich hier ein uraltes antisemitisches Stereotyp an, das unterstellt, Juden*Jüdinnen wären illoyal gegenüber der Heimatländer, in denen sie leben.

Wenn Sie solche Verallgemeinerungen hören, fragen Sie: „Was meinst du mit Heimat?” Das gibt der Person Zeit zum Nachdenken. Andererseits wird die Aussage automatisch hinterfragt und ein Gespräch über den problematischen Inhalt der Frage kann entstehen. Erklären Sie, dass deutsche Juden*Jüdinnen einen deutschen Pass haben, in Deutschland Zuhause sind, und es ein Vorurteil ist, anzunehmen, sie hätten automatisch eine Zugehörigkeit zu Israel. Wer sich wo zugehörig gefühlt, kann jeder für sich selbst entscheiden.

Seien Sie nachsichtig, hier geht es darum aufzuklären, und Sprecher*innen für die Wirkung ihrer Aussage zu sensibilisieren: Nur weil jemand Familie in einem anderen Land hat, oder gern dorthin fährt, sollte man ihm*ihr nicht das Gefühl geben, weniger in Deutschland zu Hause zu sein als andere. Dies gilt natürlich auch für alle anderen Situationen, in denen Menschen (auch Menschen mit migrantischem Hintergrund) fremd gemacht werden.

Unterrichtsmaterialien zum Thema „Ausgrenzung” finden Lehrkräfte zum Beispiel hier:

Hier finden Sie einen Artikel, der sich mit Sätzen im Alltag beschäftigt, die Menschen verbal ausgrenzen:

Viele jüdische Museen in Deutschland bieten Workshops zum Thema Ausgrenzung und Diskriminierung an, zum Beispiel:

Unter Hilfe und Infos finden Sie weitere Anlaufstellen.

Zitat 23 von 35

Eine Sozialarbeiterin in Frankfurt am Main

„Wissen Sie, nicht nur Juden waren früher reich. Es waren auch Deutsche reich. Aber warum die Juden so gehasst wurden, das war nur, weil sie sich als auserwähltes Volk ganz besonders fühlen. Deshalb wurden sie verfolgt und deshalb gab es den Holocaust.“

Die Sprecherin greift auf alte antisemitische Zuschreibungen zurück, zum Beispiel die Verknüpfung „Juden und Geld“. Sie spricht von Jüdinnen*Juden als einheitliche Gruppe („die Juden”), mit gleichen Überzeugungen und Absichten. Dies ist für keine Gruppe in Ordnung.

Zudem nutzt die Sprecherin eine judenfeindliche Interpretation des Konzepts der „Auserwählung“ als etwas Andersartiges, Ausgrenzendes, Hochnäsiges. Diese antisemitischen Beschreibungen finden sich schon in Schriften der ersten Christen. Hier können Sie nachlesen, woher dieses Stereotyp kommt:

Die Sprecherin wirft „den Juden“ quasi eine Art „Abgehobenheit“ vor, die (nach ihrer Logik) zur Verfolgung von Jüdinnen*Juden geführt hat: „Aber warum die Juden so gehasst wurden, das war nur, weil sie sich als auserwähltes Volk ganz besonders fühlen.“ Damit sagt sie: ‚Jüdinnen* Juden sind selbst Schuld am Holocaust, selbst Schuld an ihrer Verfolgung‘. Das ist schmerzlicher Unsinn. Sie nimmt damit den Täter*innen, Nazis, die Schuld am Holocaust und lastet sie den Opfern an, sie vertauscht Täter*innen und Opfer.

Hintergrund könnte sein: Das Konzept der „Auserwählung“ geht auf einen bestimmten Absatz im Alten Testament zurück:

„Mose stieg zu Gott hinauf. Da rief ihm der HERR vom Berg her zu: Das sollst du dem Haus Jakob sagen und den Israeliten verkünden: Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und zu mir gebracht habe. Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören. Das sind die Worte, die du den Israeliten mitteilen sollst.“ (Exodus 19:3 – 6)

In der jüdischen Religion wird dieses Konzept eher als Handlungsanweisung und als Verantwortung gesehen, und weniger als „erhobenen Status“: Das jüdische Volk ist „auserwählt“, den Bund mit Gott aufrecht zu erhalten, die jüdischen Gesetze einzuhalten, die Religion weiterzugeben – es ist ihre Pflicht. Aber: Wie jede religiöse Zeile (auch im Koran und im Neuen Testament) kann diese von Menschen mit unterschiedlichen Absichten ganz vielfältig interpretiert werden.

Mehr darüber, wie das „Auserwählte“ im Judentum interpretiert wird, im Kontrast zur Interpretation von Judenfeinden, lesen Sie zum Beispiel hier:

und hier:

Wer es anspruchsvoller mag, kann hier weiterlesen:

An dieser Stelle muss ein klares Stoppsignal gesetzt werden. Es ist antisemitisch und wirkt antisemitisch, Menschen ihre eigene Verfolgung vorzuwerfen. Weisen Sie auf die Wirkung dieser Worte hin: Unabhängig von der Absicht der Sprecherin wirkt die Äußerung gefühllos und ignorant, sie verletzt. Setzen Sie Grenzen: „Es ist extrem beleidigend, wenn Menschen ihre eigene Verfolgung vorgeworfen wird. Bitte lassen Sie das.“

Weisen Sie außerdem auf die Absurdität dieser Erklärung hin: „Finden Sie es in Ordnung, dass Menschen getötet werden, weil sie angeblich hochnäsig sind?”

Bei einer solchen Aussage ist es auch gut möglich, mit Argumenten zu reagieren: „Es gibt Jüdinnen*Juden aller sozialen Schichten, reich wie arm – so wie es reiche und arme Christ*innen und reiche und arme Muslim*innen gibt.”

Falls sich die Sprecher*innen dann auf Israel beziehen sollte (was durchaus häufig als zusätzliches antisemitisches Klischee der Gleichsetzung von Jüdinn*en mit Israel vorkommen kann), kann man auf die diverse Gesellschaftsstruktur Israels und der Verteilung von Armut und Wohlstand verweisen. Dazu gibt es beispielsweise den Gini-Koeffizienten, mit dem Ungleichheiten gemessen werden: Laut statistischem Bundesamt hat Israel in der Einkommensverteilung einen Gini-Koeffizienten von 41,1. Zum Vergleich hat Deutschland einen Gini-Koeffizienten von 31,7. Reichtum und Armut ist in Israel also noch viel diverser verteilt als in Deutschland, es gibt eben nicht nur „reiche Juden“.

Es ist wichtig, Position zu beziehen, auch wenn man mit Gegenargumenten und Fakten die irrationalen Gedanken und Überzeugungen nicht immer überwinden kann. Ignorieren Sie das Gesagte deshalb nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Das Konzept der „Auserwählung“ ist komplex, es bedarf der Interpretation und Einordnung. Nur wer versteht, wie unterschiedlich die Lesart und der Blickwinkel auf ein solches Konzept sein kann („Auserwählung“ als Abgehobenheit/Andersartigkeit vs. „Auserwählung“ als Verantwortung), versteht auch, warum der Logik der Sprecherin widersprochen werden muss.

Wir plädieren an dieser Stelle vor allem dafür, sich mit dem religiösen Hintergrund des Konzepts „Auserwählung“ auseinanderzusetzen und ihn erklären zu können, wenn diese judenfeindliche Auslegung in einem Gespräch fällt. An dieser Stelle verweisen wir deshalb auf die in „Was steckt dahinter?“ genannten Quellen.

In Zeitungen, Theaterstücken, Museen und anderen Kulturangeboten wird das Thema öfter aufgegriffen, schauen Sie auf den Rückblick dieser Ausstellung (Videos und Beiträge sind online einsehbar):

Fragen Sie bei Anlaufstellen in Ihrer Nähe nach, Sie finden diese – nach Bundesland suchbar – unter Hilfe & Infos. Auch lokale Jüdische Gemeinden könnten Ansprechpartner sein. Bitte fragen Sie höflich an, Jüdische Gemeinden haben nicht die Aufgabe – und oft auch nicht die personellen Kapazitäten – PR für das Judentum zu machen.

Das Begegnungsprojekt „Meet a Jew“ eignet sich für den Abbau von Vorurteilen in Schulklassen:

Zitat 24 von 35

Schülerin aus einer palästinensischen Familie an einem Gymnasium, 12. Klasse, im Geschichtsleistungskurs, Duisburg

Ich hasse die Juden, die sind nicht so wie wir. Sie haben unser Land geklaut. Wegen ihnen haben meine Eltern keine Heimat mehr.“

Jeder Verlust von Heimat ist tragisch und verdient Anteilnahme. Das trifft auf Palästinenser*innen und Syrer*innen zu, die fliehen mussten, ebenso wie auf Jüdinnen*Juden aus Deutschland, die vor den Nationalsozialist*innen rechtzeitig fliehen konnten. Hass ist jedoch kein produktives Gefühl, er spaltet uns. Der Satz „Ich hasse die Juden“ ist antisemitisch, weil er Jüdinnen*Juden als einheitliche negative Gruppe ausmacht, in der alle gleich schlecht sind. Dies trifft auf keine Gruppe zu. „Hassen“ ist Gewalt in Worten: Wer hasst, will, dass das Hassobjekt verschwindet.

Mit dem Satz „Die sind nicht so wie wir“ unterscheidet die Sprecherin ein „Wir“ und „Jüdinnen*Juden“, und scheint zu sagen: „Wir Normalen gegen die andersartigen Jüdinnen*Juden“. Das ist ein typisches Merkmal von Antisemitismus: sich selbst abgrenzen von Jüdinnen*Juden, die abgewertet werden, und sich selbst (und die Gruppe zu der man sich zählt) somit aufwerten. Die Sprecherin setzt jüdische Menschen und Israelis gleich und rechtfertigt ihren Hass als Form der Rache: „Ich hasse die Juden. Wegen ihnen haben meine Eltern keine Heimat mehr”.

„Sie haben unser Land geklaut“ drückt aus, dass in den Augen der Schülerin Israel keine Existenzberechtigung hat, weil das Land „geklaut“ wurde. Israels Existenzrecht abzusprechen ist antisemitisch – und es ist historisch gesehen nicht korrekt. Der UN-Teilungsplan sah einen jüdischen und einen arabischen Staat vor, mit seiner Unabhängigkeitserklärung rief Israel den jüdischen am 14. Mai 1948 aus. Den arabischen Anführern hätte es freigestanden, dasselbe zu tun. Stattdessen griffen mehrere arabische Staaten den neugegründeten Staat Israel an.

Ja, es gab durchaus Vertreibungen von Palästinenser*innen, nach einem Krieg, der von den arabischen Ländern begonnen wurde. Andere wiederum verließen ihre Heimat, auch, weil sie von den arabischen Anführern dazu aufgefordert wurden. Als Folge der israelischen Staatsgründung wurden in den Jahren nach 1948 rund 850.000 Juden*Jüdinnen aus arabischen Ländern und dem Iran vertrieben. Der Blick auf diese Zeit ist also komplex, und sollte nicht auf ein Gut-Böse-Schema reduziert werden. Ebenso sind Gefühle wie Frust und Sehnsucht nach einer Heimat legitim: Noch immer leben Millionen von Palästinenser*innen und deren Nachkommen in Flüchtlingscamps in Nachbarländern, die sie nicht als gleichberechtigte Bürger akzeptieren. Hass jedoch spaltet und hilft nicht, die Perspektive des anderen anzuerkennen.

Mehr dazu lesen Sie hier:

Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, welche Rolle der Hass in judenfeindlichen Äußerungen spielt, und wie gefährlich Worte sein können, lesen Sie hier mehr:

In einer ersten Reaktion wäre es wichtig, klar zu machen, dass Hass meist nur Hass hervorbringt. Mit Hass kann man weder Frieden stiften, noch Wohlstand für alle ermöglichen. Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu hassen, ist menschenverachtend und daher falsch – ganz egal, um welche Gruppe es sich handelt.
Fragen Sie nach: „Wen meinst du, wenn du von ‚wir‘ sprichst?“ „Woran machst du fest, dass eine ganze Gruppe von Menschen anders ist als du oder andere?“

Der ‚Nahostkonflikt‘ ist komplex und hochemotional besetzt, er hat viele Perspektiven, die der Schülerin ist eine davon. Es ist nicht immer leicht, Verständnis für die Vielfalt von Perspektiven auf den Konflikt zu wecken. Es wäre wichtig in einem solchen Umfeld zu zeigen, dass der Schmerz über den Verlust, den die Familie der Schülerin erlebt hat, verständlich ist, aber dass es nicht nur „die eine Wahrheit“ gibt, den Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser*innen zu bewerten. Fragen können dabei helfen: „Weißt du, wie viele verschiedene Akteure und Interessen es allein 1948 gab, als Israel gegründet wurde?“

Es kann passieren, dass das Argumentieren mit Fakten die Sprecher*innen überfordert, und eine Abwehr hervorruft. Nutzen Sie in diesem Fall lieber die Irritation als eine Information: „Ein Land kann Heimat für mehr als eine Gruppe sein.”

Wir werden an dieser Stelle nicht den Nahostkonflikt interpretieren, das kann eine Webseite allein nicht leisten. Stattdessen sprechen wir uns dafür aus, sich mit der Vielfalt der Perspektiven in dem Konflikt zu beschäftigen und sie anzuerkennen. Als Lehrkraft wäre es sinnvoll, sich mit der Widersprüchlichkeit auseinanderzusetzen und sich ihr zu stellen: Ein Ort kann Heimat von zwei Gruppen sein, auch wenn einige dies dem Anderen entsagen.

Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie, auch wenn Sie im öffentlichen Raum Zeug*in eines solchen Spruchs werden, dass Hass nicht in Ordnung ist. Aber: Bringen Sie sich nicht in Gefahr.

Einen ersten Überblick über den ‚Nahostkonflikt‘ sowie Broschüren und Bücher zu dem Thema finden Sie hier:

Lehrkräfte finden hier Methoden und Materialen zum ‚Nahostkonflikt‘ für unterschiedliche Altersgruppen:

Eine kurze Übersicht, was man unter israelbezogenen Antisemitismus versteht, finden Sie hier:

und etwas ausführlicher hier:

  • Kapitel 7.1.3. in „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“ (De Gruyter)

Wie sich israelbezogener Antisemitismus in der Schule zeigt, wie sich Betroffene fühlen und was Lehrkräfte in solchen Situationen tun und lassen sollten, lesen Sie hier:

Lehrkärfte, Pädagog*innen und Multiplikator*innen sollten sich unbedingt Unterstützung suchen, wenn das Thema sie überfordert. Viele Initiativen in ganz Deutschland bieten Workshops für Schulen und Lehrkräfte zum ‚Nahostkonflikt‘ an, die die unterschiedlichen Perspektiven herausarbeiten und sich auch mit der Biografie von Schüler*innen auseinandersetzen könnten. Laden Sie externe Expert*inneen ein, suchen Sie sich Hilfe. Ignorieren Sie das Thema nicht, bloß weil es unübersichtlich und kompliziert ist.

Hier finden Lehrkräfte Unterrichtsmethoden, zum Beispiel spielerische Quizze, die die unterschiedlichen Sichtweisen auf den Konflikt deutlich machen:

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Zitat 25 von 35

Schüler einer hessischen Schule beschweren sich, im Museum Judengasse in Frankfurt am Main es würde stinken, das liege an den Juden. Ein Mitarbeiter des Museums hört folgenden Satz

Bäh, das Wasser schmeckt hier komisch, hier schmeckt eh alles anders, hier bei den Juden.”

„Bäh“ – allein dieser Ausruf bedeutet Ekel, Abscheu. „Das Wasser schmeckt hier komisch“, damit drückt der Schüler aus, es sei gerade hier, an diesem Ort, dem Museum Judengasse, etwas anders sei, anders als überall sonst. Er macht damit nicht nur klar, dass an diesem Ort, den er nur als „hier bei den Juden“ identifiziert, etwas fremder sei, sondern zeigt mit Worten wie „komisch“ und „Bäh“ auch, dass er es deshalb für schlecht und verabscheuungswürdig hält.

Essen und Geruch sind Dinge, die Menschen stark zusammen bringen, aber auch unüberbrückbar trennen können. Zugehörigkeiten und Unterschiede werden durch Essen deutlich, denn Essen kann zeigen, wer wir sind – und wer wir nicht sind. Die Abneigung zu dem angeblichen Geschmack des Wassers an diesem Ort dient dem Schüler also, um seine Abneigung dem Ort gegenüber auszudrücken und gegenüber den Menschen, die er mit diesem Ort verknüpft. Eine ähnliche Funktion hat die Aussage, im Museum würde es stinken: Die Schüler*innen zeigen damit ihre Abgrenzung und Abneigung. Man kann davon ausgehen, dass sich einige Schüler*innen durch die Aussage des Einen ermutigt gefühlt haben, sich als Gruppe zu positionieren, dazu zu gehören: „Stimmt, hier riecht es sogar anders, wir nehmen das wahr, wir gehören zu den Normalen, dieser Ort hingegen ist fremd und eklig.“

In den Worten des Schülers klingen zudem alte antisemitische Narrative mit, in denen den Juden*Jüdinnen vorgeworfen wurde, das Wasser eines Brunnens vergiftet zu haben.

Lehrkräfte, Mitschüler*innen, aber auch unbeteiligte Zeug*innen im Museum sollten bei dem ersten Kommentar, den sie in diese Richtung hören, ein Stoppsignal senden: „Was redet ihr für einen Quatsch? Hört auf.“

Ziel ist es einzugreifen, bevor andere Schüler*innen sich ermutigt fühlen, sich dem Ausspruch anschließen, weil sie zeigen wollen, dass sie zu der „normalen“ Gruppe gehören, die nicht „stinkt“, bei der es nicht „komisch“ schmeckt.

Zeigen Sie deshalb in jedem Fall – ob als Unbeteiligter oder als Lehrerkraft – dass Sie missbilligen, was die Schüler*innen an Ekel-Bekundungen von sich geben. Selbst wenn Sie als Unbeteiligter keine Lust haben, etwas zu sagen, könnten Sie mit den Augen rollen oder den Kopf schütteln: In erster Linie geht es darum, auch den Umstehenden zu zeigen, dass so ein Ausspruch nicht in Ordnung ist, und so die Stopptaste zu drücken, bevor der Eindruck entsteht, es wäre in Ordnung, so etwas zu äußern. Wird dies unterlassen, verbreitet sich unter Schüler*innen nur der Eindruck, dass es „normal“ ist, solche Sachen zu sagen.

Im Nachhinein (im Klassenraum, zu einem späteren Zeitpunkt außerhalb des Museums) sollte das Verhalten besprochen und die antisemitische Beleidigung erklärt werden. Fangen Sie nicht an, die Wasserwerke Frankfurts zu erläutern, nehmen sie diese Aussage nicht als These ernst. Es ist eine Beleidigung und sollte erklärt und unterbunden werden. An dieser Stelle ist noch anzumerken, dass das judenfeindliche Bild der „Juden, die das Wasser vergiften“ schon sehr lange existiert – trotz dessen Absurdität. Mit rationalen Argumenten kommt man hier deshalb schwer weiter. Es lohnt sich aber immer, zu erklären, dass dies ein antisemitisches Feindbild ist und nicht weiterverbreitet werden solltet.

Seminare und Fortbildungen für Lehrkräfte und Pädagog*innen, aber auch angeleitete Workshops für Schüler*innen mit pädagogischer Unterstützung, zu den Themen Vorurteile, Antisemitismus und jüdisches Leben gibt es von vielen Bildungseinrichtungen und Jüdischen Museen in ganz Deutschland, zum Beispiel hier:

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Zitat 26 von 35

Gespräch zwischen einem Taxifahrer und einem Fahrgast in Berlin

„Muslime haben Angst vor Juden, weil sie Menschen töten.“

„Meinen Sie Israelis oder Juden in Berlin?“

„Das macht keinen Unterschied. Es ist wie mit einem Apfel, man kann ihn teilen, aber es ist ein Ganzes.“

Solche Äußerungen sind antisemitisch. Sie beinhalten judenfeindliche Stereotype („Juden als Mörder“). Der Sprecher geht von Jüdinnen*Juden und Israelis als einheitliche Gruppe aus und bestärkt dies sogar noch: „Das macht keinen Unterschied. Es ist wie mit einem Apfel, man kann ihn teilen, aber es ist ein Ganzes.“ Solche Aussagen stacheln zu Gewalt an und verbreiten Verschwörungsmythen. Die Sätze des Sprechers überschreiten die Grenze der freien Meinungsäußerung, weil sie volksverhetzend sind: Nach seiner Logik sind alle Jüdinnen*Juden – egal ob in Israel oder Berlin – Mörder, so furchteinflößend, dass eine andere Gruppe Menschen (Muslime) Angst vor ihnen haben. Seine Sätze zeigen gut, wie eng Antizionismus und Antisemitismus beieinander liegen können – hier wird ein ganzes Volk, eine ganze Religion verteufelt.

Mehr zu israelbezogenem Antisemitismus lesen Sie hier:

Es lässt sich hier noch anmerken, dass auch die Nachfrage des Fahrgasts problematisch ist: „Meinen Sie Israelis oder Juden in Berlin?“ Der Fahrgast stellt nicht die Absurdität der Aussage des Taxifahrers in Frage („Juden töten Menschen…“), sondern fragt nach, wer gemeint ist. Dies könnte dem Taxifahrer den Eindruck geben, dass der Fahrgast ihm in der Aussage zustimmt.

Widersprechen Sie. Zeigen Sie, dass so eine Äußerung keinen Platz in einer demokratischen Gesellschaft hat.

Der Fall muss gemeldet werden. Das ist das mindeste, was auch Unbeteiligte tun können. So ein Fall gehört zumindest in die Statistik, er erleuchtet die Dunkelziffer antisemitischer Gewalt.

Hier melden Sie antisemitische Vorfälle, auch solche, die mit Worten diskriminieren:

  • RIAS Recherche und Informationsstelle Antisemitismus
  • OFEK e.V. Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung

Es ist auch möglich, den Taxifahrer anzuzeigen: Wenn ein Mensch aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen, nationalen oder religiösen Gruppe beschimpft oder verleumdet wird, wenn gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zu Hass oder Gewalt aufgestachelt wird, kann wegen Volksverhetzung Anzeige gestellt und Anklage erhoben werden.

Mehr dazu lesen Sie hier:

Der Fall zeigt, dass antisemitische Gewalt – besonders in verbaler Form – mitten im Alltag auftreten kann – zum Beispiel beim Smalltalk auf einer Taxifahrt. Entscheiden Sie für sich, ob Sie wollen, dass solche „Meinungsäußerungen“ im öffentlichen Raum Platz haben oder ungestraft bleiben.

Menschen, die antisemitische Erfahrungen gemacht haben, finden zum Beispiel hier Hilfe:

Gemeldet werden kann der Vorfall hier:

  • RIAS Recherche und Informationsstelle Antisemitismus

Mehr Anlaufstellen in ganz Deutschland finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 27 von 35

Schülerin, 3. Klasse, in einem Workshop zum Thema monotheistische Religionen in Duisburg

„Ich mag Juden nicht, die haben Jesus Christus verraten!“

„Ich mag Juden nicht“ – der Satz allein ist judenfeindlich, er macht aus allen Jüdinnen*Juden der Welt eine einheitliche Gruppe und gibt ihnen im nächsten Satz „…die haben Jesus Christus verraten“ die Schuld für die Kreuzigung von Jesus durch die Römer. Die Feindbilder „Juden als Verräter“ und (in dem Zusammenhang oft genannt) „Gottesmörder“ sind rund zweitausend Jahre alt. Im zweiten Jahrhundert dienten diese Feindbilder den ersten Christ*innen als Abgrenzung vom Judentum – der älteren Religion. Diese Feindbilder vertuschen eine wesentliche Tatsache: Auch Jesus war ursprünglich Jude.

Woher kommt dieses Feindbild? Die ersten Christ*innen waren enttäuscht und empört über die Tatsache, dass sich die meisten Juden*Jüdinnen nicht zum Christentum bekehren ließen und Jesus, der doch aus ihrer Mitte kam, nicht als ihren Erlöser anerkannten. Die Juden*Jüdinnen und ihre Überzeugung anzuerkennen, hätte damals bedeutet, die Überzeugungen des Christentums in Frage zu stellen. Das ging nicht, und so versuchten christliche Geistliche, sich vom Judentum zu distanzieren. Dies nahm drastische Formen an: In den Schriften von Paulus und im Johannes-Evangelium werden Juden*Jüdinnen verteufelt und als Gottesmörder dargestellt. Auch Martin Luther hat diese Feindbilder vertieft und dazu aufgerufen, Juden*Jüdinnen zu vernichten. Diese Stereotype sollten fast 2000 Jahre lang die Diskriminierung und Verfolgung von jüdischen Menschen rechtfertigen.

Erst 1965 distanzierte sich die Kirche von der Gottesmordlehre und entschuldigte sich:

„Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben (13), kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen. Gewiß ist die Kirche das neue Volk Gottes, trotzdem darf man die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern. Darum sollen alle dafür Sorge tragen, daß niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geiste Christi nicht im Einklang steht.“

Quelle: Website des Vatikan

Hier können Sie nachlesen, wie sich antisemitische Feindbilder im Christentum entwickelt und verbreitet haben:

und vertiefend hier:

Wenn Sie eine solche Behauptung hören, können Sie – sowohl im Klassenraum, als auch anderswo im Alltag – erst einmal mit Rückfragen reagieren: „Wie kommst du darauf? Wer hat dir so etwas gesagt?“ So kommen Sie hoffentlich ins Gespräch, eine solche Aussage lässt sich nicht mit einer Entgegnung abtun. Es lohnt sich, darauf hinzuweisen, dass diese antisemitische Aussage längst überholt, in einer demokratischen Gesellschaft nicht erwünscht und beschämend ist und sich der Vatikan dafür entschuldigt hat.

Gegenüber Schüler*innen und Jugendlichen sollten Sie klarmachen, dass es nie in Ordnung ist, eine Gruppe von Menschen kollektiv zu hassen. Als Lehrkraft könnten Sie um einen Termin mit den Eltern bitten und versuchen, sie für die Problematik solcher Aussagen zu sensibilisieren.

Beraten Sie sich mit Lehrkräften aus anderen Fächern (Religion/Ethik), ob es eine Möglichkeit gibt, dort über christlichen Antijudaismus aufzuklären. Erwähnen Sie nicht den Namen der Schülerin, sondern beziehen Sie sich nur auf den erwähnten Satz.

Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Suchen Sie sich Unterstützung, wenn Sie das Thema überfordert. Informationen und Unterstützung bei der Vermittlung des Themas Antijudaismus finden Sie hier:

Weitere Adressen für Workshops, Beratung und Fortbildungen in ganz Deutschland finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 28 von 35

Facebook-Nutzer in der Kommentarspalte unter dem Beitrag eines Politikers zur Flüchtlingskrise

Soros und die Juden wollen die deutsche Bevölkerung ersetzen und ganz Europa islamisieren. Das ist alles Teil des Plans.“

Eine klare Verschwörungsfantasie. Der Sprecher vermutet eine Weltverschwörung aller Jüdinnen*Juden mit einem angeblichen Ziel: „Europa zu islamisieren“. Er bedient sich damit nicht nur alter antisemitischer Verschwörungsmythen, seine Worte sind dazu noch islamfeindlich: „Islamisierung“ ist ein Begriff, der besonders von Rechtsextremen und Rechtspopulist*innen benutzt wird, um Muslime*Musliminnen als Gruppe abzuwerten und ihnen niedere Absichten zu unterstellen.

Mehr zur Funktion von Verschwörungsfantasien lesen Sie hier:

Es handelt sich hier um einen Facebook-Kommentar – nicht immer ist es in so einem Kontext möglich, sich auf ein Gespräch einzulassen und echten Kontakt aufzubauen. Sie sollten es dennoch versuchen, denn selbst, wenn Sie die Urheber*innen solcher Verschwörungen und Hassbotschaften nicht erreichen, gibt es immer noch etliche stille Mitleser*innen, die Ihre Auseinandersetzung mit der Botschaft mitbekommen können und so ermutigt werden, solche Sprüche zu hinterfragen und sich nicht zu entziehen.

Stellen Sie zuerst Nachfragen: „Was meinen Sie mit ‚die deutsche Bevölkerung ersetzen‘?“

„Woher haben Sie diese Information?“

„Wie sicher sind Sie sich mit dieser Theorie?“

Sollten Ihnen im persönlichen Gespräch solche Verschwörungsfantasien begegnen, lohnt es sich, die oben angesprochenen rassistischen und antisemitischen Deutungen anzusprechen und zu erklären.

Wenn Sie besonders viel Geduld haben, versuchen Sie herauszufinden, was die Person motiviert, sich so zu äußern. Ist es plumper Hass? Hinter vielen Verschwörungsfantasien stecken manchmal diffuse Ängste, Überforderung oder Wut – Gefühle, denen man mit Fragen begegnen kann: „Was bewegt Sie daran so?“

„Was befürchten Sie?“

Bei besonders absurden Verschwörungsfantasien lässt sich manchmal auch mit Humor reagieren. Und bei verbaler Gewalt sollten Sie diese Nutzer*innen auf der jeweiligen Plattform melden. In jedem Fall lohnt es sich, klare Haltung für Toleranz und demokratische Werte zu zeigen.

Zum Umgang mit Verschwörungsfantasien im Internet gibt es hier Schritt-für-Schritt-Strategien und Anlaufstellen zur Unterstützung:

Zitat 29 von 35

Schülerin, 10. Klasse, in Frankfurt am Main

„Aldi gehört den Juden. Und die Nordi [ein Einkaufszentrum in Frankfurt] gehört auch einem Juden. Aber ist mir egal, ich wollte es nur mal gesagt haben. Bockt mich nicht. Aber gehört halt alles den Juden.“

Die Sprecherin unterstellt „den Juden“ wirtschaftliche Macht und Einfluss und bedient sich damit einem klassischen antisemitischen Stereotyp, das in unterschiedlichen Formen seit Jahrhunderten auftaucht.

Mehr dazu lesen Sie hier:

und vertiefend:

Wichtig zu wissen: Wir glauben an Verschwörungsmythen, nicht obwohl, sondern gerade weil sie falsch sind. Verschwörungsideologien geben Halt, erklären komplexe Zusammenhänge einseitig und klar, schaffen gefühlte „Transparenz“. Dass man sich dabei antisemitischer Mythen bedient, ist nicht immer offensichtlich.

Fragen Sie nach, möglichst offen, sodass sich ein Gespräch ergeben kann: „Wie meinst du das?“

„Erscheint dir das logisch?“

„Meinst du, es könnte auch andere Erklärungen dafür geben?“

„Wie würdest du reagieren, wenn es anders wäre?“

„Warum ist es dir wichtig, das zu glauben?“

„Warum erzählst du es, obwohl es dich doch ‘nicht bockt’?“

„Wo fühlst du dich konkret Ungerechtigkeiten ausgesetzt? Und was haben Juden damit zu tun?“

Sie sollten sich nicht zu sehr in eine inhaltliche Diskussion verwickeln lassen, denn so entsteht der Eindruck, man könne einer irrationalen Sache eine rationale Erklärung bieten. Das hilft in wenigen Fällen, eher dann, wenn die Sprecher*innen offen sind für Gegenargumente. Es ist wichtiger durch offene, konfrontierende Fragen auf die Rolle und Funktion dieser Gedanken aufmerksam zu machen.

Wenn Sie mit diesen Nachfragen nicht weiterkommen, sollten Sie eine Grenze ziehen und klare Position ergreifen: Stop, das ist antisemitisch, unfair, verletzend, es stellt Jüdinnen*Juden unter Generalverdacht, es ist eine falsche Gedankenspur. Auch Unbeteiligte können so zeigen, dass sie damit nicht einverstanden sind und schon dadurch der festgefahrenen Argumentation „Gehört halt alles den Juden…“ Risse verursachen.

Verschwörungsmythen nehmen jenen, die an sie glauben, ein Gefühl der Ohnmacht – und geben es jenen, die sie entkräften wollen, da es fast unmöglich erscheint, gegen eine so stark geschlossene Argumentation wirksam vorzugehen. Es ist wichtig zu verstehen, ob es sich um ein unerschütterliches Weltbild handelt oder „nur“ um nachgeplapperte Aussagen, die noch für die „Korrektur“ offen sind.

Wenn dies nicht der Fall ist, müssen Sie akzeptieren: Ich habe es ausgesprochen, ich habe protestiert und argumentiert, aber auf der anderen Seite ist es nicht angekommen. Vielleicht haben Sie aber die Grundlage für spätere, fruchtbarere Irritationen gelegt.

Mehr zur Funktion von Verschwörungsfantasien lesen Sie hier:

Es ist unheimlich wichtig, dass Sie in jedem Fall zeigen, was Sie von solchen Sätzen halten, da Beteiligte und Unbeteiligte davon profitieren können, auch wenn die antisemitisch argumentierenden Menschen nicht überzeugt werden können. Es geht darum, nicht zu schweigen, sondern Haltung zu zeigen.

Hier finden Lehrkräfte und Pädagog*innen Ideen und Methoden für den Unterricht zum Umgang mit Verschwörungsfantasien:

Wenn Ihnen im Internet eine solche Aussage begegnet und Sie reagieren möchten, finden Sie hier Strategien und Beratung, solchen Verschwörungsfantasien zu begegnen:

Zitat 30 von 35

Eine jüdische Frau streicht die Wand ihres Hauses im Schrebergarten. Darauf sagt der Nachbar Folgendes

„Dafür braucht man in Deutschland eine Genehmigung, es gibt hier Regeln, an die man sich halten muss. Die Genehmigung kostet Geld.” Er zeigt auf den Schornstein ihres Hauses​: „Und das ist für Sie kostenlos.”

Dieser Fall zeigt einen unverhohlenen Hass auf Jüdinnen*Juden. Das Motiv des Schornsteins, eine Erinnerung an die Krematorien von Auschwitz, nutzt der Sprecher, um offen zu provozieren. Hier werden die Verbrechen der Shoah verherrlicht und die jüdische Frau erniedrigt, sie wird ganz bewusst, gezielt und aggressiv bedroht.

Worte können gefährlich sein, lesen Sie dazu hier mehr:

Dieses Zitat stammt aus dem Forschungsbericht „Mach mal keine Judenaktion!“ der Frankfurt University of Applied Sciences:

Dies ist ein klarer Anlass für eine polizeiliche Anzeige. Wenn ein Mensch aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen, nationalen, religiösen Gruppe beschimpft, verleumdet wird, wenn gegen einen Einzelnen wegen der Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zu Hass oder Gewalt aufgestachelt wird, kann wegen Volksverhetzung Anzeige gestellt und Anklage erhoben werden.

Niemand sollte einen derartigen Fall hinnehmen. Wenn Sie in dieser Situation sind, suchen Sie sich Hilfe: Sprechen Sie den Vereinsvorstand des Schrebergartens an, berichten Sie anderen Nachbar*innen von dem Spruch. Besprechen Sie gemeinsam, welche Möglichkeiten der Verein hat, gegen solche Sprüche vorzugehen.

Melden Sie den Fall, zum Beispiel hier:

  • RIAS – Report Antisemitism

Betroffene finden hier Hilfe und Beratung:

  • OFEK e.V. Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung

Wenn Sie Zeuge*Zeugin einer solchen Situation werden, stehen Sie der bedrohten Frau bei, schützen Sie sie vor den Worten des Mannes, verurteilen Sie das Gesagte und besprechen Sie den Fall mit den Nachbar*innen oder dem Vereinsvorstand. Aber: Bringen Sie sich nicht in Gefahr.

Es ist möglich, den Fall zu melden und sich mit der Unterstützung einer Opferberatungsstelle (auch rechtlich) beraten zu lassen:

Mehr Anlaufstellen finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 31 von 35

Schüler, 9. Klasse, in Berlin

„Dieser Bagdadi, der Chef vom IS, der ist Jude. Ich habe ein Foto gesehen auf Facebook, da ist der mit dem Mossad.“

Der Sprecher vermischt hier den Islamischen Staat, den israelischen Auslandsgeheimdienst (Mossad) und absurde Verschwörungsfantasien, die oft in Form von Fake-Images und Fälschungen im Internet Verbreitung finden. Der Sprecher äußert, dass er als Kopf der Terrororganisation Islamischer Staat einen Juden ausmacht – und bedient sich damit des uralten Vorurteils des „bösen Juden“, der für alles Schlechte in dieser Welt als „Strippenzieher“ verantwortlich gemacht wird.

Mehr über diese Stereotype können Sie hier nachlesen:

Der Sprecher benutzt also klassische antisemitische Bilder und vermischt sie mit israelfeindlichen Verschwörungsfantasien: der Mossad, eine Abteilung des israelischen Geheimdiensts, sei verantwortlich für die Gräueltaten des IS. Verschwörungsfantasien wie diese („Der Chef vom IS ist Jude“) haben für diejenigen, die an sie glauben und sie verbreiten, die Funktion, unsere durchaus komplizierte Welt zu vereinfachen, in dem zum Beispiel höhere Mächte hinter bestimmten Ereignissen vermutet werden. Solche Fantasien entlasten vom eigenen Denken,  andere werden für die eigene schlechte Situation beschuldigt. Das größte Problem: Verschwörungsfantasien lassen sich meist nicht als falsch beweisen, und jedes Gegenargument wird als Beweis gedeutet, dass hier etwas vertuscht werden soll.

Mehr zur Funktion von Verschwörungsfantasien lesen Sie hier:

Bei absurden Fantasien wie dieser helfen meist keine Fakten, sondern erstmal nachhaken:

„Woher hast du diese Informationen?“

„Wie sicher bist du dir, dass das stimmt?“

„Falls dieses Foto existiert – warum ist es dann ein Beweis dafür, dass Bagdadi ein Jude ist?“

Hinterfragen Sie die Quellen, die die Sprecher*innen nennen: „Meinst du, man kann allem vertrauen, was im Internet steht und an Fotos zu finden ist?“

„Woher nimmst du sonst noch deine Informationen?“

Doch – das ist der Knackpunkt von Verschwörungsfantasien – meist bringen Fakten wenig, um die Sprecher*innen vom Gegenteil zu überzeugen. Es kann sogar sein, dass diese Fakten als Bestätigung für die Verschwörung gedeutet werden.

Versuchen Sie lieber, ganz allgemein auf die typischen Merkmale von Verschwörungsfantasien aufmerksam zu machen: sich selbst als ohnmächtig und als Opfer darstellen, vereinfachte Schwarz-Weiß-Bilder der Welt erschaffen, die Existenz einer Welt „hinter den Kulissen“ vermuten. Und weisen Sie auf die Funktion solcher Theorien hin: sich selbst wohler damit fühlen, die Welt und ihre Komplexität verstanden zu haben und scheinbar eindeutige Antworten auf schwer erklärbare Phänomene zu haben, anderen die Schuld für eine unangenehme Sache geben und sich selbst entlasten, aber auch: sich nicht länger ohnmächtig fühlen. Es lohnt sich, mit den Sprecher*innen (und Umstehenden) gemeinsam zu reflektieren, welche Medien genutzt werden und ob gerade Internet-Quellen vorbehaltlos geglaubt werden sollte.

Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Zum Umgang mit Verschwörungsfantasien im Internet gibt es hier sinnvolle Strategien und Beratung:

Hier finden Lehrkräfte und Pädagog*innen Ideen und Methoden für den Unterricht zum Umgang mit Verschwörungsfantasien:

Mehr Anlaufstellen finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 32 von 35

Lehrerin eines Gymnasiums nach einer Filmdokumentation in einem Workshop zum Thema Auschwitz und Holocaust-Gedenken in Duisburg

„Müssen wir diese Geschichte immer wieder durchkauen? Ich kann das nicht mehr hören!“

Die Sprecherin sitzt in einem Workshop zum Thema Holocaust und hat keine Lust, sich damit zu beschäftigen. Sie drückt aus, das Thema schon zu oft „durchgekaut“ zu haben, es also „ausgelutscht“ sei. Mit anderen Worten: Sie ist dessen überdrüssig, will die Beschäftigung mit dem Holocaust und die Erinnerung daran abwehren. Damit lehnt sie – als nachgeborene Deutsche – die Verantwortung für die Geschehnisse der Shoah ab. Sie spricht nicht als Lehrerin – eine Person im öffentlichen Dienst, die die mitverantwortlich für die Bildung von jungen Menschen ist, sondern als eine Person, die schlichtweg genervt von dem Thema ist („Ich kann das nicht mehr hören!“).

Es gibt vermutlich wenige Menschen, die Spaß daran haben, über den Holocaust zu reden. Das Thema ist schwer, es macht sicherlich keine Freude. Es ist menschlich nachvollziehbar, Schreckliches zu verdrängen. Zugleich befindet sich die Sprecherin in einem Workshop genau zu dem Thema, der vermutlich auch ohne sie stattfinden würde. Was also will sie mit diesem Satz erreichen? Sie drückt aus, dass sie das Thema loswerden will, sich nicht länger mit der tragischen Vergangenheit befassen möchte – sie lehnt die Verantwortung für die deutsche Geschichte ab, sie spielt die Bedeutung des Holocaust runter, in dem sie das Gespräch darüber ablehnt wie eine nervige Aufgabe. Die anderen Teilnehmer sollen ihren Unmut mitbekommen.

Manchmal ist die eigene Familiengeschichte einer der Gründe, warum Menschen diese starke Abwehrhaltung zeigen. Aber auch der Wunsch, sich von der „deutschen Schuld“ am Holocaust zu befreien. Das Thema Holocaust ist dann mit Scham besetzt, oder auch einer unangenehmen Unsicherheit, und wird deswegen verdrängt, gar bewusst abgelehnt. Der Wunsch nach einem „Schlussstrich“ unter die Vergangenheit ist oft verbunden mit der Sehnsucht nach einem unbelasteten Deutsch-Sein. Das Bedürfnis ist nachvollziehbar, die ablehnende Haltung jedoch nicht. Diese Haltung ist unprofessionell.

Es ist unmöglich, sich der Erinnerung an den Holocaust zu entziehen, wenn man in Deutschland lebt und dort als Lehrkraft im öffentlichen Dienst arbeitet. Als Staatsbeamtin ist es ihre Pflicht, sich mit mit dem Schrecken der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Nur, wer sich der Vergangenheit bewusst ist, kann verhindern, dass es wieder passiert. Insofern geht der Holocaust uns alle etwas an.

Die Antonio Amadeu Stiftung hat einem ähnlichen Satz („Es muss auch mal Schluss sein“) innerhalb des Projekts „Nichts gegen Juden“ eine eigene Seite gewidmet, die erklärt, was an einer solchen Aussage problematisch ist.

Fragen Sie nach: „Was können Sie nicht mehr hören?“

„Was wissen Sie über Ihre eigene Geschichte? Haben Sie schon viel darüber erfahren?“

„Was meinen Sie, sollten Lehrer in Deutschland für eine Haltung gegenüber der Erinnerung an die Vergangenheit unseres Landes haben?“

„Was glauben Sie, wäre der richtige Umgang mit dem Thema?“

„Was glauben Sie hat diese Haltung für eine Auswirkung auf Ihre Schülern und Schülerinnen?“

Wenn Sie die Aufmerksamkeit der Sprecher*in haben, erlauben sich vielleicht auch Gedankenspiele: „Was würde passieren, wenn Ihre Haltung die allgemeine Sicht im Bildungswesen und in der Gesellschaft werden würde?“

„Was passiert, wenn der Holocaust vergessen werden würde? Was könnte dann verhindern, dass so etwas nochmal passiert?”

Es wäre gut, wenn die Umstehenden klar machen, dass das Thema nicht einfach ist, aber kein Weg daran vorbeiführt. Lehrkräfte wie alle anderen nach 1945 geborenen Deutschen tragen nicht die Schuld an dem Holocaust, sie tragen aber die Verantwortung, dass dies nicht mehr geschieht. Insofern geht der Holocaust uns alle etwas an.
Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Wenn das Thema Holocaust Sie überfordert, versuchen Sie, sich dem Thema anders zu nähern, als Sie das bisher gemacht haben: Suchen Sie sich Unterstützung von Initiativen oder von Jüdischen Museen, besuchen Sie einen Workshop, ein Theaterstück, eine Lesung.

Workshops, Fortbildungen und Beratung zum Thema finden Sie hier:

Deutschlandweite Anlaufstellen finden Sie unter Hilfe & Infos

Oder Sie schauen Sie sich eine der preisgekrönten historischen Dokumentationen auf Video-on-Demand-Portalen an.

Im Internet finden Sie zudem gute Projekte zum Thema:

Zitat 33 von 35

Schülerin aus einer palästinensischen Familie in einer 12. Klasse im Geschichtsleistungskurs eines Gymnasiums in Duisburg

„Die Juden haben 9/11 geplant, um die Muslime als Terroristen darzustellen. Das war ein Inside-Job. Sie haben auch die ISIS gegründet, weil sie die islamischen Länder zerstören wollen. Wieso greift ISIS denn nicht Israel an, wenn sie angeblich Muslime sind?“

Die Sprecherin nutzt eine komplexe Verschwörungsfantasie. Sie verteufelt die Juden als Drahtzieher hinter Terroranschlägen und Terrorgruppierungen in unterschiedlichen Ländern. Sie macht „die Juden“ als einheitliche Gruppe aus, schreibt dieser ganzen Gruppe die übelsten, mörderischsten Absichten und Macht zu und folgt damit der typischen Rhetorik von jahrhundertealten antisemitischen Aussagen.
Verschwörungsfantasien wie diese haben für die, die an sie glauben und verbreiten, die Funktion, unsere durchaus komplizierte Welt zu vereinfachen, in dem zum Beispiel höhere Mächte hinter bestimmten Ereignissen vermutet werden. Sie haben das Ziel, Sprecher*innen selbst vom Denken zu entlasten, indem diese*r andere für eine schlechte Situation beschuldigen kann.

Mehr zum Zweck von Verschwörungsfantasien lesen Sie hier:

Das größte Problem: Diese Verschwörungsfantasien lassen sich meist nicht als falsch beweisen. Zudem kann jedes Gegenargument als Beweis gedeutet werden, dass hier etwas vertuscht werden soll.

Fragen Sie erst einmal nach, was die Sprecher*innen zu diesen Aussagen motiviert: „Wieso haben Sie so ein Problem mit Jüdinnen*Juden?”

„Warum regen Jüdinnen*Juden Sie so auf?”

Die Sprecherin in dieser Situation kommt aus einer palästinensischen Familie, dieser Hintergrund trägt vielleicht zu ihrer Motivation bei, sich so zu äußern. Dennoch muss hier eine klare Grenze gezogen werden, Verschwörungsfantasien halten Vorurteile und Stereotype lebendig und verbreiten sie.

Meist – das ist der Knackpunkt von Verschwörungsfantasien – bringen Fakten wenig, um vom Gegenteil zu überzeugen. Es kann sogar sein, dass diese Fakten als Bestätigung für die Fantasien gedeutet werden. Versuchen Sie lieber auf die typischen Merkmale von Verschwörungsfantasien aufmerksam zu machen: sich selbst als ohnmächtig und als Opfer darstellen, vereinfachte Gut-Böse-Bilder der Welt zu erschaffen, die Existenz einer Welt „hinter den Kulissen“ zu vermuten.

Und weisen Sie auf die Funktion solcher Fantasien hin: sich selbst wohler damit fühlen, die Welt und ihre Komplexität verstanden zu haben und scheinbar eindeutige Antworten auf schwer erklärbare Phänomene zu haben, anderen die Schuld für eine unangenehme Sache geben und sich selbst entlasten, aber auch: sich nicht länger ohnmächtig fühlen. Es lohnt sich, mit Sprecher*innen (und Umstehenden) gemeinsam zu reflektieren, welche Medien genutzt werden und ob gerade Internet-Quellen vorbehaltlos geglaubt werden sollte.

Wichtig ist: Ignorieren Sie das Gesagte nicht. Selbst, wenn Sie die Sprecher*innen nicht erreichen, so gibt es dennoch Mithörer*innen und Zuschauer*innen, also Zeug*innen, die Sie damit zum Nachdenken bringen können und ermutigen, sich mit der Debatte auseinanderzusetzen.

Hier finden Lehrkräfte und Pädagog*innen Ideen und Methoden für den Unterricht zum Umgang mit Verschwörungsfantasien:

Zum Umgang mit Verschwörungsfantasien im Internet gibt es hier sinnvolle Strategien:

Zitat 34 von 35

In einem Workshop zur Antisemitismus-Prävention in einer deutschen Justizvollzugsanstalt wird über den Vorfall in Berlin gesprochen, bei dem ein Israeli mit Kippa auf offener Straße angegriffen wurde. Ein Häftling sagt Folgendes zu seinem Sitznachbarn

„Die Juden schlachten unsere Brüder in Palästina ab und jetzt heulen die rum wegen einem Juden, der eine auf’s Maul kriegt.“

Der Satz ist aus zwei Gründen antisemitisch. Erstens wird hier verallgemeinernd über „die Juden“ gesprochen, als handele es sich darum um eine Gruppe aus Menschen, die alle gleich handeln. Der Sprecher setzt Jüdinnen*Juden überall auf der Welt mit einem dämonisierten Zerrbild der israelischen Politik gleich.

Zweitens werden hier Jüdinnen*Juden als „Schlächter“ dargestellt, als Palästinenser*innen mordende Wesen. Jüdische Menschen werden dämonisiert. Das ist antisemitisch.

Mehr dazu lesen Sie hier:

Der Sprecher drückt mit seinem Spruch aus, dass der Mensch, der auf offener Straße angegriffen wurde, kein Mitgefühl verdient hat, allein weil er Jude ist. Er macht mit seiner Aussage klar, dass Jüdinnen*Juden Gewalt verdient hätten.
Zudem behauptet er, dass über antisemitische Vorfälle in Deutschland mehr gesprochen wird, als über „abgeschlachtete“ Palästinenser*innen – er spricht damit ein empfundenes Ungleichgewicht an, rechnet das (von ihm verzerrte) Leid der Opfer israelischer Militäraktionen gegen die Palästinenser*innen mit dem Leid eines Opfer von Antisemitismus in Deutschland gegen. Für den Sprecher ist damit jedes Leid, das Menschen mit Kippa auf der Welt zugefügt wird, eine „Rache“ für den ‚Nahostkonflikt‘ und damit gerechtfertigt.

In dem Fall ist es eigentlich unnötig, auf das absurdeste Detail dieser Geschichte hinzuweisen: Der Mann, der in Berlin angegriffen wurde, trug eine Kippa, war aber kein Jude – er war ein arabischer Israeli, der an dem Tag einem jüdischen Freund beweisen wollte, dass man mit Kippa durch Berlin laufen kann, ohne dass dies gefährlich ist:

Es geht hier um ein seltsames Verständnis von „Gerechtigkeit“ – also darum, wann und gegen wen Gewalt gerechtfertigt sein soll, aus Sicht des Sprechers. Gewalt ist nie eine Lösung, das sollte man auch Sprecher*innen solcher Aussagen klar machen – ganz egal, an welchem Ort diese getätigt wird.

Fragen Sie nach: „Ist es Ihrer Meinung nach in Ordnung, wenn auf offener Straße ein Mensch angegriffen wird?“

„Wie fänden Sie es, wenn Sie aufgrund Ihrer Kleidung auf offener Straße angegriffen werden?“

Und hinterfragen Sie die Aussage: „Wer heult hier Ihrer Meinung nach rum?“

Sollte sich ein Gespräch ergeben, könnte man darauf hinweisen, dass nicht jeder Mensch mit Kippa automatisch ein Befürworter für Gewalt gegen Palästinenser*innen ist. Genauso wenig ist jede*r Jüdin*Jude automatisch Israeli – geschweige denn verantwortlich für den ‚Nahostkonflikt‘ – ebenso wie nicht jede*r Muslim*in für die Taten einzelner Muslim*innen verantwortlich ist, und nicht jede*r Christ*in für die Taten einzelner Christ*innen.

In einem Gespräch kann auf die Tatsache hingewiesen werden, dass es in Israel eine große Vielfalt an Meinungen in der Gesellschaft, in der Politik und in der israelischen Armee gibt, dass auch arabische Bürger*innen in Israel eigene Parteien und somit Mitsprache haben. Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Workshops zu den Themen ‚Nahostkonflikt‘ und Antisemitismus finden Sie zum Beispiel hier:

Weitere Anlaufstellen in Ihrer Nähe finden Sie unter Hilfe & Infos.

Zitat 35 von 35

Links-politisch engagierter Akademiker in Berlin

Israelkritik muss erlaubt sein.“

Der Begriff „Israelkritik“ ist allein schon ein Fall für sich. Begriffe wie „Polenkritik“ oder „Frankreichkritik“ werden kaum genutzt, bei Israel dagegen gibt es einen gängigen Begriff für die Tätigkeit, das Land zu kritisieren. Um sich hiervon ein Bild zu machen, reicht es, „Israelkritik“ und „Russlandkritik“ hintereinander in Google einzugeben und die Zahl der Ergebnisse zu vergleichen.

Der gesamte Staat Israel wird gleichgesetzt mit der Politik der Regierung, als ob alle Bürger*innen die Politik der Regierung tragen würden. Dies ist genauso wenig der Fall, wie in Deutschland alle Bürger*innen hinter der Politik der aktuellen Regierung stehen.

Zugleich sagt der Sprecher „muss erlaubt“ sein, er geht also davon aus, dass es nicht erlaubt ist, an Israel Kritik zu üben, es also ein Sprechverbot geben würde. Dies ist nicht der Fall, es gibt kein Sprechverbot, Kritik zu üben. In Demokratien wie Deutschland, Österreich oder Israel, ist Kritik an der Staatsregierung erlaubt und erwünscht. In Deutschland ist dies im Grundgesetz verankert. Jede Form von Kritik ist also grundsätzlich erlaubt, solange sie mit Respekt erfolgt, ist sie konstruktiv (und zeugt von Interesse).

Um sich die Absurdität dieser implizierten Aussage vor Augen zu halten, kann man einfach mal bei Facebook unter einem Artikel über den Nahostkonflikt in die Kommentarspalte schauen.

Oder schauen Sie vertiefend in diese Studie:

Mit seiner Behauptung macht sich der Sprecher selbst zum Opfer: „Ich darf nichts über Israel sagen, mir wird der Mund verboten.” Dieser Versuch, sich selbst als Opfer zu erklären, entbehrt jeder Grundlage und ist unangebracht. Studien haben sogar nachgewiesen, dass das Argument des „Kritiktabus“ ausschließlich von Antisemit*innen benutzt wird, um den Vorwurf von Antisemitismus abzuwehren: „Weder in der Politik noch in der seriösen Forschung wurde je eine solche Gleichsetzung vertreten. Das ‚Kritiktabu‘ ist ein Phantasma im Kopf von Antisemiten.“

Mehr darüber lesen Sie hier:

Antisemitismus beschränkt sich nicht auf eine einzelne Bevölkerungsgruppe, auf ein Geschlecht oder eine Bildungsschicht. Bildung allein schützt nicht vor Antisemitismus. Mehr dazu können Sie hier lesen:

Sie sind nicht sicher, wann es sich um Kritik oder um Antisemitismus handelt? Hier eine Orientierung:

Kritik an Israel ist antisemitisch,…

  • wenn Israels Existenzrecht und/oder das Recht zur Selbstverteidigung in Frage gestellt wird.
  • wenn Israel mit anderen Maßstäben gemessen wird als andere Länder.
  • wenn mit antisemitischen Redewendungen, Symbolen oder Bildern über Israel gesprochen wird – zum Beispiel, wenn Israelis als das „Übel der Welt“ verteufelt und dämonisiert werden.
  • wenn die israelische Politik oder Israelis mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt werden.
  • wenn Jüdinnen*Juden weltweit für die Politik Israels verantwortlich gemacht werden.

(siehe dazu Seite 204 in „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert” (De Gruyter))

Mehr dazu lesen Sie hier:

Wenn Sie einen solchen Satz hören, reagieren Sie mit Nachfragen:

„Was genau meinen Sie mit „Israelkritik”? Was genau möchten Sie kritisieren?“

So erfahren Sie mehr über die Motivation der Sprecher*innen. Haken Sie nach, warum diese Person glaubt, dass Kritik zu äußern nicht erlaubt sein sollte: „Was wollen Sie mir mit diesem Satz eigentlich sagen?“

„Wieso glauben Sie, dass in einem demokratischen Land die Kritik an der Politik eines anderen Staates nicht erlaubt sein sollte?“

„Warum ist die Tatsache, dass jemand eine andere Meinung hat und sie auch äußert, ein Sprechverbot?”

„Scheuen Sie Konflikte?”

Kommen Sie mit den Sprecher*innen ins Gespräch, das Ziel ist es auch hier, sie zum Nachdenken über ihre Sätze zu bringen: „Warum haben Sie das Bedürfnis, gerade Israel so leidenschaftlich zu kritisieren?“

„Kritisieren Sie genauso stark Konflikte zwischen anderen Ländern – Indien und Pakistan, die Türkei und die Kurden?“

Leider verknüpft sich Kritik an Israel oft mit einem ganzen Paket an antisemitischen Vorurteilen und judenfeindlichen Deutungen: die Vorstellung davon, Jüdinnen*Juden würden die Medien oder die öffentliche Meinung kontrollieren, zum Beispiel. Nicht immer sind sich Sprecher*innen solcher Sätze darüber bewusst. Zur eigenen Kontrolle kann sich jede*r folgende Fragen stellen:

Was sind meine Beweggründe für eine Kritik an Israel? Kritisiere ich Israel anders als andere Staaten? Wenn ja, warum? Beschäftigt mich der Nahostkonflikt mehr als andere Konflikte? Bin ich selbst bereit, meine Position zu Israel aufgrund von Fakten zu ändern?

Auch hier gilt: Ignorieren Sie das Gesagte nicht, reagieren Sie. Wird eine solche Aussage unkommentiert stehen gelassen, entsteht auch für Unbeteiligte in Hörweite der Eindruck, es wäre in Ordnung so etwas zu sagen. Zeigen Sie: Dies ist nicht in Ordnung.

Eine kurze Übersicht, was man unter israelbezogenen Antisemitismus versteht, finden Sie hier:

und ausführlicher hier:

Workshops zu den Themen ‚Nahostkonflikt‘ und israelbezogener Antisemitismus finden Sie zum Beispiel hier:

Mehr Anlaufstellen in Ihrer Nähe finden Sie unter Hilfe & Infos.